„Für den Tritt aufs Gaspedal entschieden“

Über Tempo, Mut, Schwierigkeiten, Miteinander, Schulden: Dr. Horst Baier ist ins letzte Jahr seiner Amtszeit als Samtgemeindebürgermeister gestartet. Ein großer Strauß an Themen kam vor diesem Hintergrund im Interview mit klartext zur Sprache.

Dr. Horst Baier ist seit dem 22. März 2012 Bürgermeister der Samtgemeinde Bersenbrück. © privat.

Herr Dr. Baier, Sie sind im letzten Jahr Ihrer 8-jährigen Amtszeit angekommen. Was seit Ihrem Amtsantritt im Auftrag der Samtgemeinde gebaut wurde bzw. noch entsteht – das dürfte Rekord sein. Auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag summieren sich – von Alfhausen bis Rieste – allein die Investitionen in Schulen. Welche Zielsetzung stand dahinter und betrachten Sie sie als erreicht?

Als ich mein Amt im Jahre 2012 angetreten habe, war das größte und drängendste Problem der schlechte bauliche und energetische Zustand vieler Samtgemeindegebäude. Dies zeigte sich vor allem an den Grundschulen in Ankum, Eggermühlen, Kettenkamp und Bersenbrück, dem Hallenbad in Ankum und an verschiedenen Turnhallen wie in z.B. in Gehrde,

Januar 2017: Abriss Grundschule Ankum.

Die Bestandsaufnahme zeigte, dass ein immenser Investitionsbedarf abgearbeitet werden musste. Und so stellte sich die Frage nach dem Wie: Mit einer geringen Geschwindigkeit und unter Vermeidung einer Nettoneuverschuldung oder mit einer hohen Geschwindigkeit und dem Aufbau einer Verschuldung.

Klar war auf jeden Fall, dass Handlungsbedarf bestand. Ich habe mich dann angesichts der guten Haushaltslage und der nach meiner Meinung weiterhin niedrigen Zinsen für den Tritt auf das Gaspedal entschieden, was im Samtgemeinderat auf breite Unterstützung stieß. Die weitaus meisten Beschlüsse zu Investitionen in Schulen wurden einstimmig gefasst.

Über 4 Mio. € werden derzeit in Gehrde verbaut: Für eine Erweiterung und Modernisierung der Grundschule.

Mit den großen Projekten in den letzten Jahren konnte die Samtgemeinde auch noch von niedrigeren Baukosten profitieren. Bis auf das Hallenbad sind die großen Investitionen inzwischen getätigt. Handlungsbedarf haben wir noch bei der energetischen Sanierung von Turnhallen. Diese Investitionen machen aber nur bei Einwerbung von Fördermitteln Sinn.

 

Ein dicker Brocken sind auch die Kitas. Wie viele Kitas, Kita-Plätze und Kita-Mitarbeiter gab es, als Sie antraten, und wie viele sind es heute? Welche finanziellen Herausforderungen sind damit verbunden und rechnen Sie mit einer weiterhin steigenden Nachfrage nach Betreuungsplätzen? Es sind hier auch Stimmen zu hören, die befürchten, dass in einigen Jahren Kitas leer stehen werden.

In 2012 verfügte die Samtgemeinde Bersenbrück über 862 Kindergartenplätze und 74 Krippenplätze mit dem Schwerpunkt auf Halbtag. Heute haben wir 1.046 Kindergartenplätze und 300 Krippenplätze mit einem ausgeweiteten Ganztagsangebot.

Der Kreis der Kita-Leiterinnen und -Mitarbeiter wächst und wächst. Hier ein Gruppenfoto von 2018 aus dem Anlass 14 Jahre Qualitätsmanagement. Foto: Samtgemeinde.

Insgesamt sind fünf Kindergärten hinzugekommen und es wurden sechs Krippengruppen an bestehende Einrichtungen angebaut. Die Anzahl der Plätze ist um 410 und damit um 44 % angestiegen. Ich rechne mit weiteren Zuwächsen – insbesondere wegen der Beitragsfreiheit und wegen des Drucks, unter dem nicht wenige Eltern stehen, schnell wieder in den Beruf einzusteigen. Die Tagespflege ist in der Zeit weitestgehend stabil geblieben.

Kita-Bauten: „Die Eltern stehen jetzt vor der Tür“.

Im Jahr 2012 betrug der Zuschussbedarf bei Kindergärten 2,4 Mio. €, in 2019 liegt er bei 5,2 Mio. €. Und dies trotz diverser Entlastungen durch den Landkreis Osnabrück und das Land Niedersachsen.

Aufgrund des demografischen Wandels wird der Bedarf in einigen Jahren wahrscheinlich sinken. Trotzdem müssen wir handeln, denn die Eltern stehen jetzt vor der Tür und sie haben einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Container-Lösungen zu bauen macht meines Erachtens aber keinen Sinn. Zum einen dürften Container aufgrund geringerer Standards keine Akzeptanz finden und sie sind auch nicht so günstig, wie oft angenommen wird.

 

Sie haben in 7 Jahren die Gründung von gleich drei neuen Gesellschaften initiiert. Die zweite war 2016 die Wohnungsbaugesellschaft HaseWohnbau – die bei der CDU auf Ablehnung stieß und stößt, wie die letzte Ratssitzung erneut zeigte. HaseWohnbau baut inzwischen in 6 der 7 Samtgemeindeorte. Kritik gibt es weiterhin. Was halten Sie den Kritikern entgegen?

HaseWohnbau: Mietwohnungsbau.

Ich halte das Thema bezahlbaren Wohnraum für geeignet, zu einem massiven sozialen Sprengstoff in den nächsten Jahren zu werden, wenn wir hier nicht handeln. Jeder kleine Beitrag zur Entspannung der Situation ist da wichtig. In das Kundenbüro der HaseWohnbau kommen sehr häufig verzweifelte Menschen, die keinen für sie geeigneten Wohnraum bekommen. Wir müssen uns als Samtgemeinde um diese Personen kümmern.

Mit der HaseWohnbau haben wir nach meiner Einschätzung sogar einen kleinen Bauboom in der Samtgemeinde angefacht. Viele private Investoren sind auf den Zug aufgesprungen und errichten wieder mehr Mietwohnungen. Finanzielle Hilfen vom Land Niedersachsen und auch vom Landkreis Osnabrück wären aber dringend erforderlich.

 

Ein so großes Investitionsvolumen in nur 1 Amtszeit, das ist ziemlich einzigartig in der Geschichte der Samtgemeinde. Ziemlich einzigartig ist aber auch der Schuldenstand. Sie haben vor gut 2 Jahren eine Analyse des Kreditportfolios durch Experten der Commerzbank in Auftrag gegeben. Damals gab’s gute Noten. Dennoch: Jeder Wirtschaftsboom hat mal ein Ende und Zinsen werden auch wieder steigen. Wie riskant ist die Verschuldung?

Die Verschuldung macht mir keine großen Sorgen, da die Zinsen auf absehbare Zeit nicht massiv ansteigen werden. Dazu sind die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Moment zu schwierig. Die wirtschaftliche Entwicklung der Samtgemeinde war in den letzten sieben Jahren außerordentlich gut. Dies zeigt sich vor allem an der Entwicklung der Kassenkredite.

… die Kassenkredite sind in etwa vergleichbar mit dem Überziehungskredit, den Banken Privatkunden einräumen…

Baier: „Durch Kassenkredite verdient“. © privat

So ist es. In 2012 betrug der Stand der Kassenkredite noch 4,8 Mio. €. In 2019 werden keine Kassenkredite mehr vorhanden sein. Eigentlich wäre es möglich gewesen, schon in 2018 alle Kassenkredite abzubauen. Da wir jedoch durch die Negativzinsen sogar Geld durch die Kassenkredite verdient haben, wurde der Bestand bislang nicht reduziert.

Zu einem größeren Problem könnte allerdings der Rückgang der Gewerbesteuer werden. Die Grundsteuerreform birgt auch noch Risiken. Gleichzeitig haben wir auch ein gesamtstaatliches Problem durch die gestiegenen Kosten für Bildung und Soziales.

Die heutigen sehr hohen Standards bei der Kinderbetreuung und bei den Ganztagsschulen haben dazu geführt, dass die Ansprüche in der der Bevölkerung stark gestiegen sind. Ich habe durch meine früheren Tätigkeiten viel Erfahrung mit Haushaltskonsolidierungen.

Wenn ich Sie nochmals kurz unterbrechen darf: Haushaltskonsolidierung bedeutet Einschnitte wie z. B. weniger Leistungen oder höhere Belastungen für Bürger…

… Einschnitte, die nach meiner Erfahrung in früher Zeit auch von den meisten Bürgern akzeptiert wurden. Für die Zukunft bin ich aber skeptisch, ob die Bevölkerung Einschnitte noch so mittragen wird wie in früheren Zeiten. Wäre dem nicht so, würden wir in schlechten wirtschaftlichen Zeiten vor großen Problemen stehen.

Solche Tafeln informieren jetzt über das Naturschutzgebiet und auch über Verhaltensregeln für Besucher der Naturidylle.

Seitdem der Alfsee Vogelschutzgebiet wurde, wurden viele Millionen Euro in neue Projekte investiert.

Eine auch im wahrsten Wortsinn große Baustelle war das Alfsee-Gebiet. Nachdem der See zum Naturschutzgebiet wurde, stand ein touristischer Strukturwandel an und es wurden von der Alfsee GmbH Millionen investiert. Angelaufen sind das Alfen Saunaland und das Germanenland. Berechtigen die bisherigen Erfahrungen mit diesen Investitionen zu der Hoffnung, dass sie Früchte tragen? Und was versprechen Sie sich von dem Naturschutz- und Bildungszentrum, das gerade entsteht?

Anton Harms, Geschäftsführer der Alfsee GmbH. Hier im Finanz-Ausschuss der Samtgemeinde am 3. Juni 2015, bei der Präsentation der neuen Alfsee-Projekte.

Anton Harms 2015 mit Alfsee-Projekten – die jetzt fertig sind.

Die Idee zu einem Germanenland hatte der Geschäftsführer Anton Harms schon jahrelang in der Schublade. Zur Umsetzung von so ehrgeizigen Projekten gehört aber politischer Mut und die Bereitschaft, ein finanzielles Risiko einzugehen. Die Alfsee GmbH hat für dieses Projekt vor meinem Amtsantritt in 2012 keine Rückendeckung bekommen. Wir haben dann die wirtschaftlichen Belastungen durch das Naturschutzgebiet für eine Vorwärtsstrategie genutzt.

Ich habe Harms ermutigt, die Saunaanlage etwas größer zu denken und schon hier das Germanenthema zu nutzen. Gleichzeitig haben wir die Projektplanung für das Germanenland wieder aufgenommen und auf einen aktuellen Stand gebracht. Dabei war die Gestaltung sowohl der Sauna als auch des Germanenlandes in einem historisch anmutenden Baustil, der von den Alfseegästen auch als authentisch wahrgenommen wird, die größte Herausforderung.

Attraktion mit Saunalandschaft und Pool: Das Alfen Saunaland am Alfsee.

Das Werben um Fördermittel hat ebenfalls sehr viel Arbeit und etliche Ministerbesuche gekostet, bis es erfolgreich war. Der Landkreis Osnabrück hat dann zum Glück auch noch eine Million beigesteuert.

Die Saunaanlage wird hervorragend angenommen und erwirtschaftet mittlerweile auch Gewinne. Das Germanenland ist im Bereich der Ferienhäuser schon gut gebucht. Hier müssen wir die ersten beiden vollen Betriebsjahre abwarten. Ich bin aber zuversichtlich in Bezug auf die notwendige Wirtschaftlichkeit.

Im Werden: Das Naturschutz- und Bildungzentrum Alfsee. Beeindruckend-groß: die Ausstellungshalle.

Das neue Naturschutz- und Bildungszentrum (NBZ) der Samtgemeinde Bersenbrück im ehemaligen Bootshaus war eines der schwierigsten Projekte in meiner bisherigen Amtszeit mit unzähligen Gesprächen auf allen Ebenen. Nachdem die Einwerbung von ca. 1,2 Mio. € Fördermitteln geglückt war, konnte das NBZ in Angriff genommen werden. Der Naturschutz wird aus meiner Sicht zunehmend wichtiger. Das NBZ soll alle Kräfte im Nordkreis bündeln und vernetzen, um möglichst viele Fördermittel zur Verbesserung unserer Umwelt einzuwerben und vor allem die Bildungsarbeit mit den Kindern vorantreiben.

 

Wie heftig es bei Naturschutz-Themen zugehen kann, zeigte jüngst eine Pressemitteilung der CDU Ankum-Eggermühlen-Kettenkamp. In der war von „Enteignung“ von Landwirten die Rede – weil Sie einen Schutzstreifen an Gewässern von nur 1 m nicht für ausreichend halten. Will Baier enteignen?

Samtgemeidebürgermeister Dr. Horst Baier informierte in Rieste über die Initiative Wegerandstreifen der Samtgemeinde Bersenbrück. © Foto: SPD.

2016 informierte Horst Baier in Rieste über die Initiative Wegerandstreifen der Samtgemeinde.

Nein. Ich möchte im Gegenteil intensiver in Zusammenarbeit mit den Landwirten nach Lösungen suchen, um die Artenvielfalt sowohl bei Tieren, Insekten und Pflanzen zu erhöhen. Dies geht nur mit den Landwirten, die massiv von vielen Seiten unter Druck stehen. Mein Ziel ist ein stärkeres Engagement der öffentlichen Hand, insbesondere des Landkreises Osnabrück, bei der Entwicklung von Kompensationsflächen, Wegerandstreifen und Bachläufen. Der Kauf von Flächen kann hier ein Ansatz sein.

Die Beauftragung von Landwirten zur naturnahen Bewirtschaftung ist eine andere Möglichkeit. Der von mir favorisierte 5m-Streifen soll übrigens nur in den neu auszuweisenden FFH-Gebieten gelten. Die Uferrandvegetation soll sich innerhalb der 5 m naturnah entwickeln und gleichzeitig vor Gülle und Pestiziden geschützt werden. Ein Meter erscheint mir hier wirklich etwas wenig.

 

Mir sagte kürzlich ein Ratsherr aus dem „Baier-Bündnis“, die letzten Jahre seien sehr anstrengend gewesen, weil man sich in so viele und auch sehr komplexe Dinge einlesen und -arbeiten musste. Komplex trifft m. E. auf HaseEnergie zu. HaseEnergie liefert Strom und Gas, aber damit ist es ja nicht getan. Was war der Gründungszweck und was bringt diese Gesellschaft der Samtgemeinde und ihren Bürgern?

Baier: „Rasanter Wandel“ Komplexität“. © privat.

Durch meine vorherigen Tätigkeiten habe ich viel Erfahrung auch mit komplexen Themen mit nach Bersenbrück gebracht. Nach meiner Einschätzung hat die Samtgemeinde Bersenbrück davon profitiert. Ich glaube, dass die Bürger/-innen bei meiner Wahl im Jahr 2012 auch im Blick hatten, jemand von außen mit neuen Ideen als Bürgermeister zu wählen.

Wir leben in Zeiten eines rasanten Wandels und zunehmender Komplexität auf nahezu allen Gebieten. Das Arbeitspensum der letzten Jahre war gewiss ein anspruchsvolles. Ich denke aber, dass auch die Samtgemeindeverwaltung durch ausführliche Beschlussvorlagen und umfangreiche Informationen die Politik gut mitgenommen hat.

4 Seiten: Die Vorlage Bädergesellschaft.

Unsere Vorlagen sind sehr ausführlich und verständlich geschrieben und haben einen Beitrag zum besseren Verständnis komplexer Sachverhalte geleistet. Besonders möchte ich auch auf die Transparenz in Bezug auf die Beteiligungen hinweisen. Die Politik entscheidet bei allen relevanten Themen auf Ebene der Samtgemeinde mit. Es gibt keine Intransparenz durch alleinige Entscheidungen in nicht öffentlichen Aufsichtsräten. In anderen Kommunen wie z.B. im Landkreis Osnabrück ist die Informationslage sehr viel dünner.

Photovoltaik von HaseEnergie.

Die HaseEnergie hat aus meiner Sicht ihr Ziel erfüllt. Der Wettbewerb im Strom- und Gasmarkt bei uns vor Ort hat zugenommen. Die hohen Preise von RWE/Innogy werden nicht mehr von allen Bürger/-innen akzeptiert. Gleichzeitig hat die HaseEnergie einen wichtigen Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz geleistet.

Unser Strom kommt im Gegensatz zu dem von Innogy aus Wasserkraft und nicht aus Braunkohle, Steinkohle und Atomkraft. Gleichzeitig haben wir uns an Windparks beteiligt und viele Photovoltaikanlagen installiert. Das Schöne dabei ist auch der finanzielle Effekt. Mit den Gewinnen der HaseEnergie können wird jetzt die Hälfte der Mehrkosten für das neue Hallenbad finanzieren. Derzeit ist dies ein Betrag von 200.000 € im Jahr. In diesem Umfang wird der Haushalt stark entlastet.

 

Als Samtgemeindebürgermeister sind Sie der Chef der Verwaltung. In Ihre Amtszeit fallen die Einführung des Ratsinformationssystems und mit der Online-Plattform OpenR@thaus wurde die Digitalisierung vorangetrieben. Ob Digitalisierung, Finanzen, Ausschreibungen, IT-Sicherheit: Die Anforderungen an Verwaltung dürften auf vielen Gebieten gestiegen sein. Mit welchen Folgen?

Die Kommunalverwaltung ist einem großen Wandel ausgesetzt. Nach der Umstellung auf die kaufmännische Buchführung steht jetzt die Digitalisierung an, die unsere Arbeit sowohl intern als auch in Beziehung zu den Bürger/-innen massiv verändern wird. Gleichzeitig lässt die Flut an neuen Gesetzen und Aufgaben nicht nach.

Das Flüchtlings-Team (von links nach rechts): Alexander Hummert, Maike Korfage, Thomas Oeverhaus, Hermann Loxterkamp, Gabriele Linster und Andreas Schulte. Foto Samtgemeinde.

Hunderte Flüchtlinge, mehr Personal. Das Flüchtlings-Team (von links) im September 2015: Alexander Hummert, Maike Korfage, Thomas Oeverhaus, Hermann Loxterkamp, Gabriele Linster und Andreas Schulte. © Foto Samtgemeinde.

Wir mussten massiv Personal aufbauen für die vielen neuen Kitas, Mensen und auch für die Flüchtlingsbetreuung. Gleichzeitig wird es immer schwieriger, qualifiziertes Personal zu gewinnen. Der demografische Wandel wird in den nächsten 10-20 Jahren zu einem hohen Druck in Richtung Digitalisierung führen. Wir müssen unsere Aufgaben in Zukunft mit sehr viel weniger Personal erledigen können. Dies geht nur mit einer hohen Automatisation, dem Einsatz von künstlicher Intelligenz und der Digitalisierung aller kommunalen Dienstleistungen.

Der Bund spricht von 575 Kerndienstleistungen des öffentlichen Sektors. Davon entfallen über die Hälfte auf Kommunen. Ein erster Schritt ist mit OpenR@thaus unternommen worden. Hier sind wir Pilotanwender im Landkreis Osnabrück. Ohne große Werbung wird das System schon hervorragend angenommen.

Durch die fortschreitende Digitalisierung wird ein immer größerer Teil der Routineaufgaben automatisch abgewickelt werden. Das wird auch Konsequenzen für den Personalaufwand haben, denn die Bürger müssen dann für einfache Dienstleistungen ohne Beratungsaufwand nicht mehr in die Gemeindebüros und ins Rathaus kommen. Auf jeden Fall wird der IT-Etat steigen.

 

Mit Ihrem Amtsantritt stellte die CDU nach 40 Jahren erstmals nicht länger den Samtgemeindebürgermeister und die Mehrheit im Rat. Dass das „bunte Baier-Bündnis“ halten würde, hat so mancher nicht für möglich gehalten. Es ist ja es mit Ratsmitgliedern aus zwei UWGs, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Bürgerliste Alfhausen recht heterogen besetzt. Da dürfte es auch spannungsreiche Meetings gegeben haben. Was fordert ein solches Bündnis allen Beteiligten ab, damit es funktioniert?

In der Tat ist das Mehrheitsbündnis sehr bunt in seiner Struktur. Uns hat der Gestaltungswille zusammengeschweißt, die Samtgemeinde mit neuen Ideen nach vorne zu bringen. Die Ratsmitglieder im Bündnis zeichnen sich auch durch einen gesunden Pragmatismus aus. Da ist niemand dabei, der nur seine eigenen Interessen und nur die seiner Mitgliedsgemeinde sieht. Von daher ist das persönliche Miteinander auch sehr positiv und konstruktiv.

UWGs, SPD, Grüne, Bürgerliste Alfhausen: Das „bunte Bündnis“ im März diesen Jahres vor der Sitzung des Samtgemeinderats in Eggermühlen.

Ich lege sehr viel Wert auf eine offene Diskussionskultur, die viel Raum für eigene Meinungen und Ideen lässt. Dies führte bei vielen Themen oft zu langen und intensiven Diskussionsprozessen, an deren Ende fast immer eine gemeinsame Linie stand. Nach meiner Einschätzung haben die vielen erfolgreichen Projekte dazu beigetragen, einen Stolz auf die gemeinsame Arbeit zu erzeugen. Wichtig war auch, bei den Investitionen keine Mitgliedsgemeinde zu bevorzugen.

 

Sie sind 2012 als unabhängiger Kandidat zur Wahl des Samtgemeindebürgermeisters angetreten, waren da aber auch schon Mitglied der SPD. Als unabhängiger Kandidat treten Sie nun auch als Landrats-Kandidat an. Worin besteht der Unterschied zwischen einem unabhängigen Kandidaten und einem Partei-Kandidaten? Sind Sie vielleicht sogar lieber ein unabhängiger als ein reiner Partei-Kandidat?

Der Unterschied zwischen einem unabhängigen Kandidaten und einem Parteikandidaten ist zum einen die Art der Bewerbung. Ein unabhängiger Kandidat muss eine ausreichende Zahl von Unterstützungsunterschriften vorlegen, so z. B. 340 für die Wahl zum Landrat. Ein Parteikandidat wird auf einer Wahlversammlung von der Partei gewählt.

Unterschriften sammeln – so war es, als Baier als unabhängiger Kandidat für das Amt des Samtgemeindebürgermeisters antrat, und so war es nun erneut, beim Antritt als unabhängiger Landrats-Kandidat.

Ich bin nach wie vor überzeugtes SPD-Mitglied, auch wenn ich immer wieder mal bei bestimmten Punkten anderer Meinung bin als die SPD im Bund, im Land und im Landkreis. Der Status als unabhängiger Kandidat verschafft mir aber eine gewisse „Beinfreiheit“ bei der Positionierung zu politischen Themen. Vor allem aber ist es mir wichtig – das galt 2012 für den unabhängigen Kandidaten für das Bürgermeisteramt und gilt ebenso für den unabhängigen Landratskandidanten Baier – auch andere politische Gruppierungen und Wähler/-innen für einen Wechsel zu gewinnen. Mein Bestreben war und ist, parteiübergreifend die besten Lösungen zu finden und mit allen Beteiligten ins Gespräch zu kommen.

 

Vielleicht werden Sie Landrat, vielleicht nicht. Was den Samtgemeindebürgermeister angeht: Haben Sie schon entschieden, ob Sie es bei einer Amtszeit belassen oder eine zweite anstreben?

Ich gehe davon aus, in der Stichwahl als neuer Landrat gewählt zu werden. Dann wäre mein letzter Arbeitstag in der Samtgemeinde Bersenbrück der 30.10.2019.

Autor
Schlagwörter

Verwandte Beiträge

*

Top