In Gehrde und Rieste ist die Hausarzt-Nachfolge bereits ein akutes Problem. Auch andernorts drängt es. Was tun? Samtgemeindebürgermeister Dr. Horst Baier lud zu einem „Runden Tisch“ ein.

Experten, Hausärzte und Politiker, darunter mehrere Bürgermeister, diskutierten am „Runden Tisch“ das Problem Hausarzt-Versorgung. Foto: Samtgemeinde.
In Gehrde schloss der Hausarzt bereits seine Praxis, in Rieste ist die Schließung in Sicht. Beide Gemeinden wissen ein Lied davon zu singen, wie schwierig und langwierig die Suche nach einer Nachfolge ist. Weitere Hausärzte sind in einem Alter, dass sich ihre Patienten besorgt fragen, wie lange ihnen ihr Arzt noch erhalten bleibt.

Gemeinden wie Patienten freuen sich über ein gutes Angebot bei der ärztlichen Versorgung.
Kein Hausarzt mehr in Gehrde – das ist für die Bürger ein herber Verlust. Aufs große Ganze geschaut – auf die gesamte Samtgemeinde – lautet die Bilanz derzeit aber noch: „Die Versorgung mit Hausärzten ist im Moment noch gesichert, aber für die Zukunft zeichnen sich Schwierigkeiten ab“. „Auf der Suche nach Lösungsmöglichkeiten“, so Samtgemeindebürgermeister Horst Baier, „habe ich zu einer großen Gesprächsrunde mit Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN), des Landkreises Osnabrück, des Marienhospitals in Ankum, Vertretern aus den Mitgliedsgemeinden und allen niedergelassenen Hausärzten eingeladen“. Der Anstoss zu dem Treffen kam vom Ersten Kreisrat Stefan Muhle.
Es könnten sich sogar mehr Hausärzte niederlassen, aber…
Laut Aussagen der Samtgemeinde* gab es zu Beginn der Veranstaltung sogar eine gute Nachricht. Da sagte Oliver Christoffers von der Kassenärztlichen Vereinigung, dass sich „im Bereich von Bramsche und der Samtgemeinde Bersenbrück seit diesem Jahr weitere 3,5 Hausärzte niederlassen könnten, da die Bevölkerung gewachsen ist.“ Die Realität zeigt jedoch: Es finden sich keine Ärzte, die sich hier niederlassen wollen. Nicht einmal finanzielle Anreize sind ein Garant für einen Erfolg, auch diese Erfahrung hat man hier schon gemacht – weil die eigentlichen Probleme ganz woanders liegen.

Bundesweit werden Ärzte gesucht. Screenshot: www.bundesaerztekammer.de.
Die Hausärzte sagen: Der Beruf muss interessanter gestaltet werden.
Finanzielle Aspekte, war aus dem Kreis der Hausärzte zu hören, seinen nicht das Wichtigste. Vielmehr müsse der Beruf des Hausarztes interessanter gestaltet werden. Neue Arbeitszeitmodelle und Arztpraxen mit Angestelltenverhältnissen könnten die Gewinnung von Ärzten erleichtern.
„Der Bezirksausschussvorsitzende der KVN, Dr. Uwe Lankenfeld, machte vor allem politische Gründe für die abnehmende Attraktivität des Hausarztberufes verantwortlich“, so die Samtgemeinde nach dem Treffen. Die Anzahl der Studienplätze müsse gesteigert werden, die Bürokratie in Arztpraxen schrecke viele ab und die Ärztekammer blockiere flexible Lösungen in der Ausbildung und bei Quereinsteigern. Zudem wanderten sehr viele Ärzte in Länder ab, in denen die Rahmenbedingungen sehr viel besser sind.
Laut Bundesärztekammer wanderten im Jahre 2013 insgesamt 3.035 ursprünglich in Deutschland tätige Ärztinnen und Ärzte ins Ausland ab, wobei der Anteil der deutschen Ärzte 62,9 % beträgt. Die Abwanderung hat damit wieder zugenommen. Die beliebtesten Auswanderungsländer sind die Schweiz (793), Österreich (289) und die USA (143).
Alle Kräfte bündeln, um zu Lösungen zu kommen.
Der Erste Kreisrat Muhle stellte, wie die Samtgemeinde mitteilte, „die Möglichkeiten des Landkreises bei der Gewinnung von neuen Ärzten dar und bot seine Hilfe an. Im Zusammenwirken mit den Gemeinden und der KVN seien die unterschiedlichsten Unterstützungsmöglichkeiten vorhanden, um die Region für junge Ärzte attraktiv zu machen und im Einzelfall zu unterstützen“.

Rechts: Bürgermeister Reinhard Wilke aus Kettenkamp. Foto: Samtgemeinde.
Samtgemeindebürgermeister Horst Baier: „Ich habe eine überregionale gezielte Werbung für den Landkreis in Medien vorgeschlagen, die von Ärzten oder Studenten wahrgenommen werden. Durch die gezielte Ansprache von Ärzten in der Ausbildung, durch Praktika bei hiesigen Ärzten oder durch eine engere Kooperation mit den Krankenhäusern in der Region kann es gelingen, Ärzte für die Gemeinden zu gewinnen. Es wurde auch angeregt, Medizinstudenten aus der Region gezielt darauf anzusprechen, sich in der alten Heimat nach Beendigung der Ausbildung niederzulassen.“ Kettenkamps Bürgermeister Reinhard Wilke, so die Samtgemeinde, „wird als Ergebnis der Veranstaltung auf jeden Fall die hiesigen Bundestagsabgeordneten auf das Problem aufmerksam machen“.

Günther Voskamp (links) sucht für Gehrde bereits seit einigen Jahren nach einem Nachfolger für den Hausarzt, der seine Praxis schloss. Foto: Samtgemeinde.
„Die Ärztewelt ist weiblich“.
Die längste Erfahrung mit der Suche nach einem Hausarzt-Nachfolger hat Gehrdes Bürgermeister Günther Voskamp. Er sagt: „Man muss sich darauf einstellen, dass die Ärztewelt heute weiblich ist.“ Und das heißt, dass eine Ärztin, wie er es bei seiner Suche erlebte, nach einer Entlastung sucht, zum Beispiel durch eine „Schwesterpraxis“, um Beruf und Familie miteinander vereinbaren zu können. Für Voskamp ist einer der erfolgversprechendsten Ansätze, gezielt Medizinstudenten anzusprechen, die hier aus der Region kommen. Er lobt auch den Landkreis dafür, dass er finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, um einen interessierten Arzt als Teil eines Gesamtangebots auch finanziell unterstützen zu können.
Der Gehrder Arzt gab sein Praxis bereits vor einigen Jahren auf. Die Folge war: In jüngster Zeit konnte Gehrde keinen Arzt ansiedeln, weil die Kassenärztliche Vereinigung dem Ort inzwischen den Arztsitz entzog. Auch das ein Problem. Mittlerweile besteht jedoch wohl wieder eine Chance, weil die Bevölkerungszahl in der Samtgemeinde gestiegen ist.

Unter den Teilnehmern war auch Ankums Bürgermeister Detert Brummer-Bange (rechts). Foto: Samtgemeinde.
Es braucht ein ganzes Bündel an Maßnahmen.
Ankums Bürgermeister Detert Brummer-Bange nahm als Erkenntnis aus dem Treffen mit, dass der Weg zu Lösungen ein steiniger ist und man vor Ort nur bedingt etwas tun kann „Man muss aber“, so Brummer-Bange, „frühzeitig mit Ärzten reden, bei denen eine Praxisaufgabe anstehen könnte. Man muss aber vor allem auch mit jungen Ärzten über ihre Wünsche und Vorstellungen reden. Zum Beispiel darüber, wie sie sich eine Praxis-Organisation vorstellen. „Unter den Ärzten sei ein hoher Anteil Frauen“, weist auch Brummer-Bange auf die Frauenfrage hin, „die möglicherweise lieber in einer Gemeinschaftspraxis arbeiten würden – um nicht voll und ganz vom Beruf beansprucht zu werden und auch Zeit für die Familie zu haben. Außerdem, so Brummer-Bange, sei es wichtig, ein positives Image der Region – über die Samtgemeinde hinaus – aufzubauen, denn man stehe bundesweit bei der Arztsuche im Wettbewerb.
Als Fazit ist nach dem „Runden Tisch“ wohl festzuhalten: Selbst wenn es einen „Glücksfall“ gibt, dass sich z. B. für Gehrde oder Rieste doch ein Nachfolger findet: Es ist eine große, komplexe und langfristige Aufgabe, die Arztversorgung in der Samtgemeinde dauerhaft sicherzustellen. „Auch wenn wir in der Runde kein Patentrezept gefunden haben, machte die große Resonanz auf die Einladung und die rege Diskussion Hoffnung auf eine Lösung des drohenden Problems“, erklärte Horst Baier.
* Samtgemeindebürgermeister Baier äußerste sich kurz nach dem Treffen zusammenfassend auf seiner Bürgermeister-Facebook-Seite www.facebook.com/drhorstbaier