Bersenbrück: „Kassenlage äußerst angespannt“

Der Kauf von gut 20 ha Land war das Hauptthema in einer Sondersitzung des Stadtrats Bersenbrück. Zum Schluss auch wieder ein Thema: Wie wird miteinander umgegangen.

Für Grundstückskäufe will die Stadt Bersenbrück statt der bislang im Haushaltsplan vorgesehenen 1,1 Mio. € nunmehr gut 2 Mio. € mehr ausgeben. Darum musste ein sog. Nachtragshaushalt aufgestellt werden.

 

Über 900.000 € weniger Gewerbesteuer.

Der Nachtragshaushalt, über den der Rat am Montag (22. Oktober) entschied, zeichnet ein aktualisiertes Bild der derzeitigen und der für die kommenden Jahre zu erwartenden Finanzlage der Stadt. Aktuell, so im Vorbericht (*) zum Nachtragshaushalt zu lesen, ist „die Kassenlage äußerst angespannt“.

  • Ein Faktor in beträchtlicher Größenordnung ist in diesem Zusammenhang ein Einbruch in Bersenbrück bei der Gewerbesteuer: Da werden über 900.000 € und damit 15,9 % weniger in die Kasse fließen als im Haushaltsplan veranschlagt.
  • Trotz eines Kredits von 1,7 Mio. €, der im Juli aufgenommen wurde, hat sich „die Liquiditätslage der Stadt nicht entspannt“ (s. Nachtragshaushalt). Darum braucht die Stadt nun einen deutlich höheren Dispo (Kassenkredit). Der soll um 1,5 Mio. € auf dann 3,5 Mio. € erhöht werden.
  • Nötig wurde der Nachtragshaushalt jedoch vor allem, weil die Stadt gut 20 ha Flächen kaufen will, die „genutzt werden sollen, um in den nächsten Jahren durch Grundstückstausch geeignete Wohnbau- und evtl. Gewerbeflächen zu erhalten“.

 

Grundsätzlich braucht Bersenbrück Flächen.

Für die CDU-Fraktion begründete Gerd Uphoff die Kaufabsicht u. a. mit dem zu erwartenden Bevölkerungsanstieg in Bersenbrück. Zahlen dazu bieten die Bevölkerungsprognosen des Landkreises Osnabrück (hier mehr zur Prognose für die Jahre 2017-2035).

Dass Bersenbrück grundsätzlich über Flächen für Bauwillige und auch für Gewerbe verfügen muss, darin herrschte Übereinstimmung im Rat. Die Trennlinie zwischen der CDU-Fraktion und den übrigen Fraktionen verlief an anderer Stelle. Mit den Worten „bei allem Wohlwollen für das Vorhaben“ leitete Manfred Krusche (SPD) seinen Redebeitrag ein, in dem er deutliche Kritik daran übte, wie in dieser Angelegenheit verfahren wurde.

 

„Die Fraktion ist ausgeschaltet“. „Nicht ausreichend informiert“.

Manfred Krusche.

Der Hintergrund: Üblicherweise werden Ratsentscheidungen in Ausschüssen vorbereitet. In solchen Ausschusssitzungen sind alle Fraktionen mit einer Sache befasst. Wenn es sich um vertrauliche Sachverhalte handelt wie bei einem Grundstückskauf z. B. der genaue Kaufpreis, wird das üblicherweise im Verwaltungsausschusses (VA) besprochen (der nicht öffentlich tagt). Dem VA gehören in Bersenbrück 4 CDU-Mitglieder und jeweils 1 Vertreter von SPD, UWG und Grünen an.

Dass die Fraktionen einen Sachverhalt gründlich beraten, bevor eine Entscheidung im Rat getroffen wird, ist das normale Prozedere. Was den Flächenkauf und damit den Nachtragshaushalt angeht, so Manfred Krusche, sei die Fraktion jedoch „ausgeschaltet worden“. Eine Sitzung des VA, in der man Fragen hätte stellen können, habe erst 1 Stunde vor der Ratssitzung stattgefunden. In den dann 10 Minuten zwischen Ende dieser Sitzung und dem Beginn der Ratssitzung könne keine Fraktionssitzung mit einem gründlichen Austausch über den Sachverhalt stattfinden.

 

Zwei Sitzungen abgesagt.

Für den 16. Oktober sei eine Sitzung des Bauausschusses angesetzt gewesen, in der man die Angelegenheit, die seit einem Monat bekannt ist, hätte behandeln können – aber diese Sitzung sei abgesagt worden, ebenso wie eine Sitzung des Verwaltungsausschusses am 18. Oktober.

Wolfgang Rathmann (UWG).

„So geht’s nicht weiter“, sagte Manfred Krusche, und er forderte, man „wolle das in den Fraktionen haben“, wie es laut Kommunalverfassungsgesetz geboten sei. „2 Mio. € mehr für Grundstückskäufe ausgeben“, so Franz Wiewel (SPD), das sei viel Geld. Er benannte Fragen, auf die man bislang keine Antwort bekommen habe wie z. B.: „Wie hoch genau ist der Preis für das Land, wie lange läuft der Pachtvertrag, wie hoch ist die Pacht, wie hoch sind die Maklerkosten?

Wir sind nicht ausreichend informiert, um zu diesem Zeitpunkt eine Entscheidung zu treffen, sagte auch Wolfgang Rathmann für die UWG. Viele offene Fragen, das war auch die Position der Grünen.

 

Jetzt abstimmen contra erst in Fraktionen beraten.

Die Position der CDU-Fraktion: Man sei ausreichend informiert. Bürgermeister Christian Klütsch verwies darauf, dass es jetzt allein darum gehe, auf den Weg zu bringen, dass das Geld für den Kauf zur Verfügung steht. Informationen zu den Modalitäten des Kaufs würden zu einem späteren Zeitpunkt geliefert – wenn der Verwaltungsausschuss über den Kaufvertrag entscheidet.

Dem hielt Wolfgang Rathmann für die UWG dagegen, dass man den Nachtragshaushalt nur wegen des Kaufs von gut 20 ha Fläche brauche. Um dem Kauf dieser Flächen zustimmen zu können, müssten aus Sicht der UWG alle Informationen vorliegen und die Sache erfordere eine Beratung in der Fraktion.

Abstimmung zum Nachtragshaushalt: Er wurde mit den Stimmen der CDU-Fraktion verabschiedet. Dem SPD-Antrag, den Nachtragshaushalt in die Fraktionen zu verweisen, stimmten die 8 Vertreter von SPD, UWG und Grünen zu. Damit fand dieser Antrag keine Mehrheit im Rat.

 

Zinsaufwand Bersenbrück.

Reizthema Schuldenstand.

Das Thema Schulden, so eine CDU-Stimme in der Stadtratssitzung, würde von der Presse gerne aufgegriffen. Fakt ist jedoch: Zum finanziellen Gesamtbild in Bersenbrück gehört auch ein im Vergleich hoher Schuldenstand der Stadt.

Eine Gemeinde mit hohen Schulden muss zwangsläufig deutlich mehr Geld ausgeben für Zinsen und Tilgung als eine Gemeinde mit niedrigem Schuldenstand. So zeigen die Zahlen in den Haushaltsplänen von Ankum und Bersenbrück z. B.: Im Haushaltsplan Ankum wird für die 3 Jahre von 2018 bis 2020 eine Summe von knapp 262.000 € als Zinszahlung ausgewiesen. In Bersenbrück fallen die Zinszahlungen für diesen Zeitraum mit 787.000 € um ein Mehrfaches höher aus.

Das geht in der Regel zu Lasten der freiwilligen Leistungen einer Gemeinde wie z. B. der Vereinsförderung – was sich auch in der jüngsten Ratssitzung in Bersenbrück zeigte. Auf die Frage, was die Stadt tun könne, sollte der TuS Bersenbrück aufsteigen, antwortete Bürgermeister Klütsch, dass man das mit allem Enthusiasmus unterstützen würde. Was eine finanzielle Förderung des Vereins angehe, verwies er jedoch auf die Finanzlage der Stadt und darauf, man habe die Zuwendung ja schon einmal aussetzen müssen.

 

Am Ende dann wieder das Thema „wie wird miteinander umgegangen“.

Ein Kommentar von Rita Stiens.

Zu Beginn der Ratssitzung wurde mit Holger Hugenberg (CDU) der Nachfolger von Frank Keck (CDU) in den Rat eingeführt. Frank Keck hatte sich mit einer denkwürdigen Rede aus dem Rat verabschiedet, in der er u.a. den Satz sagte: „Die Situation im Stadtrat ist völlig inakzeptabel“. Mehr dazu hier.

Unterschiedlich waren die Meinungen zum Thema Nachtragshaushalt, aber die Debatte in der Montagsitzung des Stadtrats war, bei aller gelegentlichen Pointiertheit, von Sachlichkeit geprägt. Das Blatt wendete sich beim Tagesordnungspunkt „Anfragen und Anregungen“. Da machte Josef Weissmann von den Grünen einen Zeitungsartikel zum Thema, der auf einer Pressemitteilung der Bersenbrücker Grünen beruhte – einer Pressemitteilung, in der eine Reihe von Vorwürfen erhoben wurden.

 

Thematisiert: Verunglimpfende persönliche Angriffe.

klartext lag diese Pressemitteilung der Bersenbrücker Grünen vor der Ratssitzung nicht vor und sie war und ist, wie eine Nachfrage bei einigen Ratsmitgliedern zeigte, auch zahlreichen Ratsmitgliedern nicht bekannt. So manches, das wurde in Ansätzen im Verlauf der Debatte deutlich, verweist jedoch darauf, dass in der Pressemitteilung auch Vorwürfe erhoben wurden, die einer sachlichen Überprüfung nicht oder nur teilweise standhalten.

Vorwürfe zu erheben, die nicht hieb- und stichfest sachlich begründet sind, für die es an handfesten Belegen fehlt, das trägt nur zu einem bei: zu einem schlechtes Klima im Rat. In keiner Weise vertretbar sind verunglimpfende persönliche Angriffe. Dass es solche Angriffe von Seiten grüner Stadtratsmitglieder in Bersenbrück gab, dazu zitierte Bürgermeister Christian Klütsch einige öffentliche Aussagen von Elisabeth Middelschulte. Er gab schließlich viele Seiten Ausdrucke solcher Äußerungen zu Protokoll und verwies darauf, dass in Zeiten der neuen Medien verunglimpfende Aussagen zu seiner Person für immer im Internet zu finden seien. Aus welcher Zeit die Äußerungen stammen und ob es auch persönliche Angriffe von Seiten der CDU gab, dazu können hier keine Aussagen gemacht werden.

Eine Nachfrage bei SPD und UWG am Tag nach der Sitzung zeigte, was bereits während der Redebeiträge von Josef Weissmann an Gesichtern abzulesen war: Ablehnung, gar Entgeisterung ob der Entwicklung gegen Ende der Sitzung.

Es ist an den beiden grünen Ratsmitgliedern im Bersenbrücker Stadtrat zu entscheiden, ob fundierte Sachlichkeit und Sachorientierung den Ton angeben oder ein Politikstil, der in starken Maße mit geprägt ist von einer scheinbar über viele Jahre gewachsenen Aversion gegen bestimmte Personen. Kritisch in der Sache, aber sachorientiert und sachlich-fundiert: Wie das geht, haben SPD und UWG in der jüngsten Stadtratssitzung gezeigt. „Auch wenn die eine oder andere Nachfrage von Josef Weissmann“, so Wolfgang Rathmann, „durchaus berechtigt war, so ist ein Reigen von Vorwürfen mit diversen Wenns kein sach- und lösungsorientierter Beitrag – darüber hinaus gehört eine Debatte über diesen Zeitungsbericht nicht in den Rat.“

(*): Der Vorbericht zum Nachtragshaushalt steht über das Ratsinformationssystem online zur Verfügung. Siehe: https://ris.bersenbrueck.de/bi/to0040.asp?__ksinr=1555

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2 Kommentare

  1. Elisabeth Middelschulte

    Kleine Erinnerung an die CDUler von mir zur künstlichen Empörtheit über angebliche Verunglimpfungen: Bitte nicht vergessen und ausblenden, wer den ersten Stein geworfen hat! ( Eigentlich schreibe ich hier keine Kommentare, aber dieser Hinweis muss sein)

  2. Lagodny

    Ich bin überrascht dass ich darauf hinweisen muss, dass Pressemitteilungen der Presse zur Veröffentlichung gegeben werden und nicht parallel den Ratsmitgliedern vorgelegt werden. Diese können die Mitteilung der Presse entnehmen, wie jeder Bürger.
    Die örtliche Presse jedoch macht es seit vielen Jahren so, dass sie die Mitteilungen der Grünen immer erst mit Mitgliedern der cDU bespricht und dann abgeändert im Sinne der cDU veröffentlicht, was dann aber nicht mehr der ursprünglichen Pressemitteilung enspricht sondern eher eine dann nicht nachvollziehbare Antwort auf eine unveröffentlichte Pressemitteilung ist.

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