Ein Dilemma: Wertschätzung für Erzieherinnen, leere Samtgemeinde-Kassen

Gute Laune in der KiTa Sonnenschein mit Samtgemeinde-Bürgermeister Horst Baier (Bildmitte), der KiTa-Leiterin Hildegard Lünne, zwei ihrer Mitarbeiterinnen (stehend und sitzend rechts), Gehrdes Bürgermeister Günther Voskamp (rechts), Heinz Kövekorn und Gehrdes stellv. Bürgermeisterin Ingrid Thesing. Foto Samtgemeinde
Der kommunale Kindergarten in Ankum ist eine der KiTas in der Zuständigkeit der Samtgemeinde.

Der kommunale Kindergarten in Ankum ist eine der KiTas in der Zuständigkeit der Samtgemeinde.

In der Samtgemeinde werden noch keine KiTas bestreikt. Aber auch hier beschäftigt das Thema bessere Bezahlung. Was verdienen Erzieher/innen bislang? Und was bedeuten deutlich höhere Gehälter für die Kasse der Samtgemeinde?

 

Die KiTa-Mitarbeiter werden von der Samtgemeinde bezahlt.

Dass Samtgemeinde-Bürgermeister Dr. Horst Baier die laufenden Tarifverhandlungen mit Aufmerksamkeit verfolgt, hat einen einfachen Grund: Er – sprich die Samtgemeinde – muss am Ende zahlen. Der Schuldenstand der Samtgemeinde liegt derzeit bei 29 Millionen Euro. Er erhöhte sich vor allem wegen der hohen Investitionen in Schulen und KiTas, die in den letzten Jahren von Alfhausen bis Rieste getätigt wurden. Mehr dazu hier. Dadurch stiegen auch die Personalkosten stark an, zum Beispiel, weil für den Ganztagsbetrieb mehr Mitarbeiter eingestellt werden mussten.

 

Derzeitiger Verdienst einer Erzieherin: zwischen 2.590 und 3.289 Euro.

Wie unterbezahlt sind Erzieherinnen und Erzieher? Das ist eine Frage, die Deutschland bewegt. Wer auf die Zahlen schaut, stellt fest: Erzieherinnen und Erzieher verdienen mehr als andere Beschäftigte mit Ausbildungsberufen im kommunalen Dienst und weniger als Grundschullehrer.

Die meisten Erzieherinnen sind derzeit in S 6 eingruppiert und liegen damit zwischen 2.590 und 3.289 Euro. Die so genannten „Leistungskräfte“ kommen auf über 4.000 Euro.

Nachteil Teilzeit. „Allerdings“, so Samtgemeinde-Bürgermeister Horst Baier, „besteht bei Erzieherinnen und Erziehern das Problem, dass viele nur eine Teilzeitstelle haben. Kaum eine Erzieherin hat eine Vollzeitstelle. Hier könnten wir als Samtgemeinde durch Nachmittagsangebote noch bessere Bedingungen schaffen.“

Die Arbeit, die Erzieherinnen und Erzieher heute leisten, hat sich von den Ansprüchen her in eine Richtung entwickelt, die sie durchaus vergleichbar macht mit der Arbeit von Grundschullehrern. Und so zeigt auch die schon seit einiger Zeit geführte Debatte über das Gehaltsniveau von Erzieherinnen und Erziehern: Unter Experten besteht durchaus Einigkeit darüber, dass sich der Verdienst in Richtung Grundschullehrergehalt entwickeln könnte und sollte. Allerdings bestehen noch große Unterschiede zwischen der Grundschullehrer-Ausbildung und den Ausbildungswegen zur Erzieherin.

 

Gehaltsentwicklung Erzieher/in seit 2009
EG 6/EG S 6; Stufe 6, ohne Jahressonderzahlungen

Ein Plus von 814,- Euro in sechs Jahren, das macht pro Jahr ein Plus von 136,- Euro.

 

Verdienst Grundschullehrer: zwischen gut 3.100 und gut 4.200 Euro.

Grundschullehrer werden nach A 12 bezahlt. Sie steigen mit 3.120 Euro ein und können es über die Jahre auf 4.278 Euro bringen. Grundschullehrer haben allerdings keine Sozialversicherungsabzüge und damit einen Gehaltsvorteil von 20%.

Zwischen dem Anfangsgehalt einer Erzieherin/eines Erziehers und dem eines Grundschullehrers liegen also auf dem Papier etwa 500 Euro, de facto allerdings, weil Erzieher Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen, über 1.000 Euro.

Grundschullehrer müssen über ein Studium verfügen. Wer heute Grundschullehrer werden will, hat nach ca. acht Semestern mit einem Master-Abschluss das erste Staatsexamen in der Tasche. Dann geht’s für anderthalb Jahre ins Referendariat. Erst nach erfolgreicher Absolvierung des Referendariats ist die Befähigung zum Grundschullehrer erreicht. Mit einer solchen Ausbildung sind die derzeitigen Wege zur Erzieher-Tätigkeit noch nicht zu vergleichen.

 

Stufenweise Erhöhung oder Sprung Richtung Grundschullehrer?

Eines ist bei diesen Verhandlungen anders als bei den „normalen“ jährlichen Verhandlungen: Die Gewerkschaft ver.di will mehr als üblicherweise. Sie will einen Sprung in andere Einkommensklassen und steuert damit bei Erzieherinnen und Erziehern in Richtung einer Erhöhung von 20%. Angemessen, könnte man sagen. Kritiker halten allerdings dagegen, dass die derzeitigen Gehälter bereits die gewachsenen Anforderungen widerspiegeln. Ein starker Anstieg der Gehälter, so ein weiteres Argument, müsse auch mit einer anderen, akademischen Ausbildung einhergehen.

Die meisten Erzieher/innen sind in der Entgeltgruppe S 6 Stufe 6 und erhalten damit ein Monatsgehalt von 3.289 Euro. Nach Aussage der Arbeitgeber fordert ver.di-einen Sprung auf knapp 4.000 Euro. Das entspräche einem Plus von 685 Euro bzw. über 20 Prozent.

 

15% der KiTa-Kosten werden von den Eltern finanziert.

Eltern leisten mit dem Beitrag, den sie monatlich für die KiTa-Betreuung zahlen, einen Beitrag zur Finanzierung. Aber der beläuft sich in der Samtgemeinde Bersenbrück auf nur auf 15%. Den großen Rest finanziert die Samtgemeinde, mit Unterstützung des Landes Niedersachsen und des Landkreises, sprich der Steuerzahler. Nun ist es aber nicht irgendein Steuerzahler. Die Steuerzahler sind wir, die Bürger.

 

Gute Laune in der KiTa Sonnenschein mit Samtgemeinde-Bürgermeister Horst Baier (Bildmitte), der KiTa-Leiterin Hildegard Lünne, zwei ihrer Mitarbeiterinnen (stehend und sitzend rechts), Gehrdes Bürgermeister Günther Voskamp (rechts), Heinz Kövekorn und Gehrdes stellv. Bürgermeisterin Ingrid Thesing. Foto Samtgemeinde

Gute Laune in der KiTa Sonnenschein mit Samtgemeinde-Bürgermeister Horst Baier (Bildmitte), der KiTa-Leiterin Hildegard Lünne, zwei ihrer Mitarbeiterinnen (stehend und sitzend rechts), Gehrdes Bürgermeister Günther Voskamp (rechts), Heinz Kövekorn und Gehrdes stellv. Bürgermeisterin Ingrid Thesing. Foto Samtgemeinde

„Würde die Samtgemeinde über eine Million Euro zusätzlich kosten“.

Angesichts der Finanzlage kollidiert der Respekt des Samtgemeinde-Bürgermeisters vor der Leistung des KiTa-Personals mit der Frage: Was kommt auf uns zu und woher das Geld nehmen? Horst Baier: „Die Beschäftigten in Kindertagesstätten und anderen Einrichtungen leisten eine sehr wichtige Aufgabe in der Gesellschaft. Die Tarifforderung von ver.di würde die Samtgemeinde aber über eine Million Euro zusätzlich kosten, da die kirchlichen Einrichtungen nachziehen werden. Derzeit bringt die Samtgemeinde für die 11 Kitas rund 3,8 Millionen Euro auf.“

Das sind fast 15% des Samtgemeinde-Haushalts allein für die KiTas. Über 37% des Hauhalts sind Personalkosten. Dazu kommen die zahlreichen übrigen Aufgaben der Samtgemeinde, von den Grundschulen bis zur Feuerwehr.

 

Höhere Schulden, höhere KiTa-Gebühren, höhere Grundsteuern?

Über 1,2 Millionen Euro müssen demnächst für die Kettenkamper Grundschule aufgebracht werden. Die Gehrder warten dringend auf die Sanierung ihrer Grundschule, eine halbe Million soll für eine Sportstätte/Vereinssport ausgegeben werden usw. Die Liste der Forderungen an die Samtgemeinde ist lang, und es wird auch schon mal mit harten Bandagen gekämpft. Ein Beispiel dafür hier. Von einer offenen und ehrlichen Diskussion aller politisch Verantwortlichen über die Finanzierung, über Prioritäten und Einsparungen, kann dagegen noch immer keine Rede sein.

 

Was ist uns Bürgern die KiTa-Arbeit wert?

Karin Kleine-König (rechts) leitet in Ankum den kommunalen Kindergarten "Am Kattenboll". Träger des Kindergartens ist die Samtgemeinde. Links: Samtgemeinde-Bürgermeister Horst Baier. Foto Samtgemeinde.

Karin Kleine-König (rechts) leitet in Ankum den kommunalen Kindergarten „Am Kattenboll“. Träger des Kindergartens ist die Samtgemeinde. Links: Samtgemeinde-Bürgermeister Horst Baier. Foto: Samtgemeinde.

Gefragt sind aber auch die Bürger der Samtgemeinde. Nach dem Ende der Tarifverhandlungen für Erzieherinnen und Sozialarbeiter wird Bilanz gezogen. Spätestens dann führt kein Weg mehr an der Beantwortung der Finanzierungsfrage vorbei. Höhere Schulden, höhere KiTa-Gebühren, höhere Steuern wie Grundsteuern: Es wird ein Preis zu zahlen sein, soviel ist sicher. Die größte Unterstützung für die Erzieherinnen und Erzieher wäre, dass Bürger bereit sind, den erforderlichen Preis zu zahlen. Aber welchen?

Höhere Schulden würden eine noch größere Belastung für die kommenden Jahre bedeuten. Die Eltern könnten stärker belastet werden – über höhere KiTa-Gebühren. Allein können die Eltern die Zusatzkosten für KiTas aber nicht stemmen. Sollten sie es überhaupt oder sollten Bildungskosten von allen Steuerzahlern getragen werden? Diese Fragen werden auf die Tagesordnung kommen. Politiker der Samtgemeinde müssen sie beantworten, aber auch wir Bürger.

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