Enttarnung um jeden Preis?

Ein Kommentar von Rita Stiens.

 In der Alfhausener Ratssitzung am 20. März saß ein Unsichtbarer auf der Anklagebank: der anonyme Informant. Ins Fadenkreuz der Kritik geriet auch, wer Aufklärung forderte.

Um jeden Preis massiv Druck aufbauen, damit der anonyme Informant seine Identität selber preisgibt?

Um jeden Preis massiv Druck aufbauen, damit der anonyme Informant seine Identität selber preisgibt?

 

Das Weßling-Grundstück für den Kindergarten gibt es nicht geschenkt, enthüllte im Kern ein anonymer Informant, und er sprach von „Machenschaften“. Krimineller Straftaten verdächtigt wurde er dafür von der ersten Stunde an durch die Ankündigung des Bürgermeisters, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Was ihm insgesamt für sein Tun blühen soll, wurde in der Ratssitzung sichtbar: 4x Staatsanwaltschaft, 1x Ordnungswidrigkeits-Verfahren dazu – „das ist nicht unbeabsichtigt“, so Bürgermeister Klaus Wübbolding (CDU) – „Druck aufbauen“ durch die eidesstattliche Erklärung. Die CDU-Fraktion folgte dem Bürgermeister auf seinem Weg, die Opposition mit Einschränkungen.

 

Es wurde noch nachgelegt.

Klaus Wübbolding gab in der Sitzung auch noch den Namen des Providers öffentlich bekannt, bei dem der Informant Kunde sein soll, und er sagte „wir wissen auch, wo der Router steht“. Warum diese Bekanntgabe? Um dem Informanten zu signalisieren: Wir sind Dir auf den Fersen? Um Ratsmitglieder zusätzlich unter Druck zu setzen nach dem Motto: Wer bei diesem Provider ist, ist verdächtig und gar doppelt verdächtig, wenn er die eidesstattliche Versicherung nicht unterschreibt?

Bürgermeister Klaus Wübbolding (CDU): Beließ es über Monate bei dem Eindruck, das Weßling-Grundstück sei eine „Schenkung“. Ein anonymer Informant machte öffentlich, dass dem nicht so ist.

Bürgermeister Klaus Wübbolding (CDU): Beließ es über Monate bei dem Eindruck, das Weßling-Grundstück sei eine „Schenkung“. Ein anonymer Informant machte öffentlich, dass dem nicht so ist.

 

Unschuldsvermutung: Mit Füßen getreten.

Eva-Maria Kleine-Starmann (CDU) hatte nach eigener Aussage die Idee zu der eidesstattlichen Erklärung. Warum? Der Bürgermeister schrieb es, als er das Schreiben weiterschickte: „Um sich evtl. auch selbst von dem Verdacht zu befreien, die Informationen weiter gegeben zu haben“. Sich von einem Verdacht befreien?
In einem Rechtsstaat wie dem unseren muss sich niemand von einem Verdacht befreien. Es gilt die Unschuldsvermutung, und die ist ein hohes Gut. Es wäre Sache des Bürgermeister gewesen, die Dinge zurechtzurücken und der Unschuldsvermutung zur Geltung zu verhelfen. Dass es möglicherweise aus dem Kreis der Ratsmitglieder eine Person gab, die sich anonym an die Presse wandte, kann keine Rechtfertigung dafür sein, alle Ratsmitglieder unter Verdacht und Rechtfertigungsdruck zu stellen.
Warum macht der Bürgermeister dabei mit? Wie er selber sagte zu dem Zweck, zusätzlichen Druck auf den Informanten aufzubauen. Die eidesstattliche Erklärung hätte, so der Bürgermeister, „verschärfend gewirkt“. Das hohe Gut Unschuldsvermutung blieb darüber auf der Strecke.
Unerwähnt ließ Klaus Wübbolding bei der Bekanntgabe des Namens des Providers: Wer immer der Provider ist – Daten (eine IP-Adresse) darf der nicht einmal auf Anfrage eines Staatsanwalts übermitteln. Das ist nur erlaubt, wenn ein Gericht die Herausgabe anordnet. Und damit sind wir bei der Frage: Gibt es für die Staatsanwaltschaft überhaupt etwas zu ermitteln?

Vom Betrug an Bürger sprach der Informant. Andere tun es in diesem Sinne auch. Hier ein Beispiel vom Februar dieses Jahres. Screenshot: http://www.hna.de

Vom Betrug am Bürger sprach der Informant. Andere tun es in diesem Sinne auch. Hier ein Beispiel vom Februar diesen Jahres. Screenshot: http://www.hna.de

 

Kriminalisiert – ohne Anhaltspunkte für Straftaten?

„Von Betrug kann keine Rede sein“, so Bürgermeister Klaus Wübbolding. Wurde überhaupt ein Betrugsvorwurf (§ 263 Strafgesetzbuch) gegen der Bürgermeister erhoben? Wurde er verleumdet? Wer in den Text des Informanten schaut, kann keine Anhaltspunkte dafür erkennen. Einen Vorwurf gegen eine Person gibt es nur an einer Stelle. Da heißt es: „.. muss Walter Weßling von Anfang an gewusst haben, dass er nicht der Eigentümer ist und damit auch keine Schenkung vornehmen kann. Dieser Umstand verwundert umso mehr, da der Bürgermeister mehrmals versicherte, dass er ausschließen würde, dass hier ein Vorsatz vorliegen würde.“
Herr Weßling, vermutet der Informant, habe nicht gesagt – gar vorsätzlich nicht gesagt –, dass das Grundstück einer GmbH gehört. Über den Bürgermeister wird nur gesagt, dass er ausschließt, dass ein Vorsatz vorliegt. Des Betrugs bezichtigt wird der Bürgermeister mit keinem Wort. Er wird durch den Satz auch nicht verleumdet. Warum stellt er trotzdem in den Raum, es sei Betrug unterstellt worden?

Der Informant schließt sein Schreiben damit, dass so etwas in die Öffentlichkeit gehört, denn es handelt sich nicht nur um einen Betrug an allen Ratsmitgliedern, sondern an allen Bürgern der Gemeinde“. Auch das ist kein Betrugsvorwurf nach § 263. Vom Betrug am Bürger bzw. Wähler ist in der politischen Auseinandersetzung ständig die Rede.

 

Privatmann oder GmbH: „Ohne Belang“?

Der Informant wirft die Frage nach dem Eigentümer des Grundstücks auf. Von welcher Bedeutung diese Frage ist, lässt sich für die Gemeinde Alfhausen sogar in einer Zahl ausdrücken: Sie muss für das Weßling-Grundstück mit 126.000 € etwa doppelt so viel bezahlen wie ursprünglich gedacht. In der Ratssitzung sagte der Bürgermeister, es sei „ohne Belang“, ob es sich um eine Privatperson oder eine Gesellschaft handle. Richtig ist: Es ist von Belang.
Eine reine Privatperson (eine ohne Betriebsvermögen) kann verschenken, ohne dass das, was Steuerzahlungen angeht, irgendwelche Konsequenzen hat. Eine juristische Person wie eine GmbH kann nicht einfach Betriebsvermögen verschenken. Etwas aus dem Betriebsvermögen herauszunehmen, hat handelsrechtliche und steuerrechtliche Konsequenzen.
Bürgermeister Wübbolding weiß, dass die Frage von Belang ist. In der Ratssitzung sagte er, dass Anfang März klar war, dass es teuer wird. Es wird teuerer, weil das Grundstück einer GmbH gehört. Aufgefallen ist das erst sechs Monate nach der Schenkungs-Nachricht. Warum erst so spät? Diese Frage muss sich eigentlich jedem aufdrängen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass beide Beteiligten über langjährige Erfahrungen in ihrem Metier verfügen: Klaus Wübbolding als Bürgermeister, Walter Weßling als Kaufmann.

Anzeigen bei der Staatsanwalts, Ordnungswidrigkeits-Verfahren des Rates: Alles nur Druckmittel, um den Informanten dazu zu bringen, sich selbst zu enttarnen?

Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft, Ordnungswidrigkeits-Verfahren des Rates: Alles nur Druckmittel, um den Informanten dazu zu bringen, sich selbst zu enttarnen?

 

Alles nur Mittel zum Zweck?

Die Debatte über den Informanten nahm einen Verlauf, der eine Reihe von Fragen aufwirft. Nach den gravierenden Beschuldigungen schlug Bürgermeister Klaus Wübbolding andere Töne an: Es gehe nicht darum, sagte er, dass der Schreiber „verbrannt und öffentlich gekreuzigt“ werde soll. Der Mann könne sich „vertrauensvoll“ an ihn wenden. Täte er es nicht, könne der Bürgermeister die Dinge nicht mehr aufhalten. Eine Brücke bauen, nannte der Bürgermeister sein Angebot. Es ist ein Angebot, dass Ungeheuerliches enthüllt.
Ist alles vom Tisch, wenn sich der zuvor Angeklagte dem Bürgermeister offenbart – die Anzeigen, das Ordungswidrigkeits-Verfahren – wäre alles nur ein Mittel zum Zweck gewesen, um Druck aufzubauen. Die Staatsanwaltschaft wäre nur instrumentalisiert worden und auch der Beschluss des Verwaltungsausschusses des Gemeinderats, ein Verfahren einzuleiten, wäre eine Farce – weil nur Druckinstrument.

 

Warum nicht die Staatsanwaltschaft arbeiten lassen?

Wenn Klaus Wübbolding und andere dem Informanten ernsthaft Straftaten vorwerfen, müsste die Staatsanwaltschaft jetzt ihrer Arbeit nachgehen. Legt der Staatsanwalt die Sache zu den Akten, wäre die Sache erledigt und der Informant bliebe unentdeckt. Warum grätschte der Bürgermeister mit seinem Angebot dazwischen, der Informant solle sich ihm stellen? Um einen Menschen zu schonen, dessen Tun er zuvor als „hinterhältig“ und „denunziatorisch“ beurteilte und als strafrechtlich so relevant, dass mehrere Anzeigen erstattet wurden? Was ist das eigentliche Ziel?
Ginge der Bürgermeister davon aus, dass die Staatsanwaltschaft Verfahren einleitet, bräuchte er nur den Gang der Dinge abzuwarten, bis über einen Gerichtsbeschluss geklärt ist, um wen es sich bei dem Informanten handelt. Warum tut er es nicht? Eine mögliche Erklärung: Weil er davon ausgeht, dass es zu keinem Verfahren kommt. Darum der Versuch, so viel Druck aufzubauen, dass  sich der Informant selbst enttarnt. Dann wäre das Ziel erreicht in Erfahrung zu bringen, wer dem Bürgermeister in die Quere kam. Um dieses Ziel zu erreichen, scheint jedes Mittel Recht zu sein, selbst die Instrumentalisierung der Staatsanwaltschaft und die eines Ratsorgans.

Es war in der Ratssitzung mehrfach die Rede davon, dass der Ruf der Familie Weßling zu schützen war, dass er nicht demontiert werden dürfe. Wäre der Ruf der Familie Weßling durch korrekte Benennung der Fakten demontiert worden? Was könnte rufschädigend daran sein, präzise über die „Schenkungs“-Bedingungen zu informieren?

 

Das sind zwei der vier Fragen zum Weßling-Kindergartengrundstück, mit denen die Gruppe SPD-Bündnis90/Die Grünen in der nächsteZwei der Fragen, die die Opposition SPD-Bündnis90/Die Grünen auf die Tagesordnung der letzten Ratssitzung setzten.

Das sind zwei der vier Fragen zum Weßling-Kindergartengrundstück, die die Gruppe SPD-Bündnis90/Die Grünen auf die Tagesordnung der letzten Ratssitzung setzte.

Aufklärung gleich Gefährdung des Projekts?

Wer hat in der Angelegenheit Weßling-Grundstück was zu verantworten? Der Opposition, der Gruppe SPD-Bündnis 90/Die Grünen, wurde vorgeworfen, das Projekt Kindergarten zu gefährden. Wodurch? Die Gruppe stellte Fragen und widersprach dem Bürgermeister, der vor der Ratssitzung über die Medien wissen ließ, die Fragen seien bereits beantwortet. Mehr dazu hier. Gibt, wer Fragen stellt, „dem Eindruck Nahrung, hinter den Kulissen der Gemeinde würde es nicht mit rechten Dingen zugehen“, wie in einem Kommentar zu lesen war? Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Es war der Mangel an Transparenz, der Mutmaßungen Vorschub leistete. Fragen zu stellen ist das Recht und die Aufgabe der Opposition, in der kleinen wie in der großen Politik. Dass es Grund zu fragen gab, bestätigte die Ratssitzung, in der Bürgermeister Wübbolding in Teilen Versäumnisse einräumte.
Ein offenes Wort zur rechten Zeit, daran hat es in Alfhausen vor allem gefehlt. Geschwiegen zu haben, wo man hätte reden sollen, hat Folgen. Auch im Privatleben ist es so, dass Misstrauen (hast du noch mehr zu verbergen?) und ein Verlust an Glaubwürdigkeit (was kann ich dir überhaupt noch glauben?) die Folge sind, wenn Verschwiegenes ans Licht kommt oder unter den Teppich gekehrt wurde, was man hätte offenlegen sollen.

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Ein Kommentar

  1. Theo

    Hallo was ist aus dem anonymen Informanten geworden ?
    Es wurde ja viel Wind erzeugt. Und jetzt ?
    Passiert nichts mehr.
    Oder kommt dieser sogar aus den Reihen der CDU ?

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