Günther Kosmann (CDU): „Ekelerregend“

Ein Kommentar von Rita Stiens.

Dr. Anton Hofreiter ist einer der beiden Chefs der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen. Foto: Grüne Bundestagsfraktion/Stefan Kaminski.

Dr. Anton Hofreiter ist einer der beiden Chefs der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen. Foto: Grüne Bundestagsfraktion/Stefan Kaminski.

 

„Ekelerregend“, „Parasit“, das sind nur zwei Begriffe, mit denen der Ankumer CDU-Politiker Günther Kosmann gegen Dr. Anton Hofreiter, im Bundestag Fraktionschef von Bündnis90/Die Grünen, zu Felde zieht. Hier der Text, den Günther Kosmann am letzten Sonntag, 2. August, auf seiner Facebook-Seite öffentlich zugänglich postete.

„Typisch grünes Verhalten; Wasser predigen u in vollen Zügen Wein saufen! Ekelerregend dieser Typ, auf Staatskosten studiert, Grünenfunktionär mit üppigem Gehalt Dank deutscher Steuerzahler und nun bescheisst dieser Parasit , der niemals ehrlich gearbeitet hat auch noch! Dass der Özedemir von einem Fehler spricht, zeigt die ganze Perversion dieser Grünen Clique! Ab nach Stadelheim“

Günther Kosmann ist Gymnasiallehrer. Was würde von einem Lehrer erwartet, würde ein Schüler einen anderen Menschen dermaßen persönlich verunglimpfen? Dass er eingreift, würde erwartet; dass er deutlich macht, wo die Grenze zwischen Kritik in der Sache und unzulässiger Diffamierung verläuft. Günther Kosmann ist zudem CDU-Fraktionsvorsitzender im Ankumer Gemeinderat und Mitglied des Samtgemeinderats. Er steht also auch als Politiker in der Verantwortung, u.a. für die politische Debattenkultur. Unflätige Tiraden statt Argumente?

 

Hofreiter und der CDU-Politiker Tankred Schipanski: Beide „ab nach Stadelheim“?

Die Welt, 10. Mai 2014

Die Welt, 10. Mai 2014

Warum zieht Günther Kosmann gegen Anton Hofreiter zu Felde? Er präsentiert einen über ein Jahr alten Zeitungsartikel (Die Welt, 10. Mai 2014). Zu dieser Zeit, im Frühjahr 2014, machten Politiker diverser Parteien Schlagzeilen – weil sie für ihre Zweitwohnung in Berlin keine Zweitwohnungssteuer gezahlt hatten. Die nicht gezahlte Steuer belief sich bei Hofreiter auf knapp 2.500 Euro.
Auch der damals 37jährige CDU-Politiker Tankred Schipanski gestand, diese Steuer mehrere Jahre lang nicht gezahlt zu haben. Am 15. Mai 2014 schrieb der Spiegel zu Schipanski: „Wohnsitz nicht gemeldet: CDU-Abgeordneter gibt Steuervergehen zu“. Nach der Logik von Günther Kosmann also ebenfalls ein ekelerregender Typ? Beide, Hofreiter und Schipanski, ab nach Stadelheim?

Stadelheim ist eine bayerische Justizvollzugsanstalt und Günther Kosmanns „ab nach Stadelheim“ soll wohl eine Anspielung auf Ulli Hoeneß sein. Der frühere FC-Bayern-Boss wurde zu dreieinhalb Jahren verurteilt und musste etwa 40 Millionen Euro wegen seiner Steuerstraftaten an den Fiskus überweisen. Seine Gefängniszeit verbrachte Hoeneß allerdings nicht in Stadelheim, sondern in Landsberg am Lech.

Diffamierend: Günther Kosmanns Angriff – auf seiner Facebook-Seite – auf den Fraktionsvorsitzen der Grünen, Dr. Anton Hofreiter.

Diffamierend: Günther Kosmanns Angriff – auf seiner Facebook-Seite – auf den Fraktionsvorsitzen der Grünen, Dr. Anton Hofreiter.

 

Studiert, promoviert, Post-Doktorand: Niemals ehrlich gearbeitet?

Auf Staatskosten studiert? Günther Kosmann studierte Biologie. Auf Staatskosten – wie jeder, der studiert. Selbst wer Studiengebühren zahlen muss (2006 eingeführt), studiert noch auf Staatskosten, denn ein Beitrag von 500 Euro pro Semester deckt die Kosten nicht ab.
Günther Kosmann ist Lehrer und wird aus der Staatskasse bezahlt. Jeder, der im Bundestag sitzt, ob CDU-Abgeordneter oder Abgeordneter einer anderen Partei, wird vom Staat bezahlt. Günther Kosmann bekommt für seine Arbeit als Rat ebenfalls Geld vom Steuerzahler – die Aufwandsentschädigungen.
Eines hat Günther Kosmann sogar mit Anton Hofreiter gemeinsam: das Studium der Biologie. Anton Hofreiter schloss sein Studium 1997 als Diplom-Biologe ab und wurde 2003, nach Abschluss seiner Promotion, zum Dr. Anton Hofreiter. Von 2003 bis 2006 war er als unabhängiger Post-Doktorand am Institut für Systematische Botanik der Ludwig-Maximilians-Universität München tätig. Mitglied des Bundestags ist er seit 2005. Von 2011 bis 2013 war er Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Seit 2013 ist er, zusammen mit Kathrin Göring-Eckardt, Vorsitzender der Bundestagsfraktion seiner Partei.

Ein Post-Doktorand oder „Post-Doc“ ist ein Wissenschaftler, der nach seiner Promotion befristet an einer Uni oder einem Forschungsinstitut arbeitet. Gerade in den Naturwissenschaften müssen viele eine „Post-Doc“-Stelle annehmen, weil keine festen Stellen zur Verfügung stehen.

 

Ein Leben auf Staatskosten? Alle Fraktionen bekommen Geld.

„Grünenfunktionär mit üppigem Gehalt Dank deutscher Steuerzahler“? Wenn das auf Hofreiter zutrifft, trifft das zugleich auf alle zu, die für die CDU im Bundestag sitzen. Alle Abgeordneten werden aus der Staatskasse finanziert und alle Fraktionen, die CDU-Fraktion wie alle anderen, bekommen Gelder aus der Staatskasse. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) schlug im Herbst 2014 eine Erhöhung vor: Danach liegt der monatliche Grundbetrag für jede Fraktion bei 390.978 Euro und der monatliche Betrag für jedes Mitglied bei 8.162 Euro.

 

Christian Calderone (CDU): „Niemals ehrlich gearbeitet“?

Nach der Messlatte, die Günther Kosmann bei Anton Hofreiter anlegt, müsste er zum Beispiel auch seinen Parteifreund Christian Calderone mit dem Verdikt „Parasit, der niemals ehrlich gearbeitet hat“ belegen. Zur Erinnerung: Anton Hofreiter schloss sein Studium ab, promovierte und war drei Jahre lang als Post-Doktorand tätig.
Christian Calderone, 1977 geboren, seit 2013 CDU-Landtagsabgeordneter, trat mit 19 Jahren in die CDU ein, machte ein Jahr später (1997) Abitur und studierte nach dem Zivildienst, der bis 1998 dauerte, Jura. Drei Jahre später (2001) – mit 24 Jahren, während des Studiums – war Christian Calderone bereits Ratsherr in Quakenbrück und in der Samtgemeinde.
Um die sechs Jahre Jura-Studium bis zu einem ersten Staatsexamen sind relativ normal. Wie lange studierte Christian Calderone? Keine Angabe dazu in seinem Abgeordneten-Lebenslauf*. Es findet sich auch kein Hinweis auf einen Abschluss des Studiums. Die einzige konkrete Information zu einer Tätigkeit ist: Seit 2008 war Christian Calderone, damals 31 Jahre alt, Mitarbeiter des CDU-Landtagsabgeordneten Reinhold Coenen – und zwar bis zu Coenens Tod im Jahr 2011. Finanziert aus der Staatskasse.
Seit 2010 ging es für Christian Calderone in der Politik immer weiter bergauf: seit 2010 Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Osnabrück-Land sowie stellv. Vorsitzender des CDU-Bezirksverbandes Osnabrück-Emsland und seit 2011 Kreistagsabgeordneter (Landkreis Osnabrück).
Nach Coenens Tod übernahm Christian Calderone dessen Wahlkreis und zog 2013 als CDU-Abgeordneter in den niedersächsischen Landtag ein – „mit üppigem Gehalt Dank deutscher Steuerzahler“, um mit Günther Kosmann zu sprechen. Christian Calderone – ein Leben für die Partei und die Politik, ist das Fazit der Betrachtung des bisherigen Lebenswegs. Ein Leben – „auf Staatskosten studiert“, „mit üppigem Gehalt Dank deutscher Steuerzahler“ – wie es von Günther Kosmann regelrecht verteufelt wird.

 

* http://www.landtag-niedersachsen.de/abgeordnete_a_bis_z/,cms_id,51,abgeordneten_id,202345.html

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