Ansgar Stolte: „Gleichgültigkeit aufgeben und auf Fremde zugehen“

Manchem wird bang’ angesichts der vielen Flüchtlinge. Wie kann ein gutes Miteinander gelingen? klartext sprach darüber mit Ansgar Stolte, Pfarrer von Ankum, Eggermühlen und Kettenkamp.

Kirche, Gemeinde, die August-Benninghaus-Schule: In Ankum gibt es viel Engagement, um Flüchtlinge gut aufzunehmen und gut zu integrieren.

Kirche, Gemeinde, die August-Benninghaus-Schule, Ehrenamtliche: In Ankum gibt es viel Engagement, um Flüchtlinge gut aufzunehmen und gut zu integrieren.

Herr Pfarrer Stolte, Papst Franziskus rief nachdrücklich zu Solidarität mit den Flüchtlingen auf. Es gibt auch Stimmen von Christen, die muslimische Flüchtlinge als „Invasion“ und als Gefahr für Europas „universelle christlichen Werte“ betrachten. Was wünschen Sie sich? Mit welcher Haltung sollte Flüchtlingen begegnet werden?

Unser Bischof Franz-Josef Bode sagte bereits am 19. April dieses Jahres in der Osternachtspredigt: „Anstelle falscher Reden über Flüchtlingsströme, die nur Wasser auf die Mühlen rechtsgerichteter Kreise sind, braucht Deutschland eine Willkommenskultur für Menschen in Not“.
Wer eine „Kultur des Lebens“ fördern möchte, muss Gleichgültigkeit aufgeben und auf Fremde zugehen. Dass dieses „Zugehen“ Rahmenbedingungen braucht, hat Joachim Gauck zu Recht angemerkt. Als Grundsatz dürfen wir Christen uns an der Botschaft Jesu in der Bibel orientieren: „Was ihr einem der geringsten Schwestern und Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40) Dieses ist nach Aussage des Evangelisten Matthäus immerhin ein Kriterium für das Weltgericht.

 

Derzeit stehen wir vor allem vor praktischen Problemen. Die Flüchtlinge brauchen ein Dach über dem Kopf und Unterstützung, um sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Welchen Beitrag zur Hilfe kann die Kirchengemeinde Ankum bzw. die Pfarreiengemeinschaft Ankum, Eggermühlen, Kettenkamp beisteuern?

Eine große Stärke der Kirchengemeinde Ankum bzw. der Pfarreiengemeinschaft Ankum, Eggermühlen, Kettenkamp ist ihr Netzwerk. Viele Menschen sind direkt oder indirekt miteinander in Kontakt und haben eine hohe Bereitschaft, mit ihren Möglichkeiten zu helfen.
Die Kirchengemeinde selbst hat keinen eigenen Wohnraum, den wir zur Verfügung stellen können, aber über das genannte Netzwerk konnten schon verschiedene Wohnmöglichkeiten an die zuständige Samtgemeinde Bersenbrück vermittelt werden. Außerdem gibt es bereits einige pensionierte Lehrer, die grundsätzlich bereit sind, Sprachunterricht zu geben.
Mit einigen Haupt- und Ehrenamtlichen können und wollen wir auch fachliche Kompetenz im Bereich der Diakonie und der Sozialpädagogik einbringen; namentlich möchte ich hier Nina Mönch-Tegeder und Olaf van der Zwaan nennen, die sich seitens der Hauptamtlichen dieser Thematik besonders angenommen haben und sowohl mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Bramsche, mit den zuständigen Koordinatoren in Bersenbrück und auch mit einigen Flüchtlingsfamilien in direktem Kontakt stehen.

Pfarrer Ansgar Stolte beim Gottesdienst zu Eröffnung der neuen KiTa in Eggermühlen.

Pfarrer Ansgar Stolte beim Gottesdienst zu Eröffnung der neuen KiTa in Eggermühlen.

 

Selbst bei manchem Gutmeinenden gibt es unterschwellig auch Abwehr und Angst angesichts von Menschen aus anderen Kulturkreisen, die Kopftücher tragen und eine dunklerer Hautfarbe haben. Was sagen Sie Menschen, die Ängste vor Flüchtlingen plagen?

Viele Menschen aus anderen Kulturkreisen: Das sorgt auch für Angst und Verunsicherung.

Viele Menschen aus anderen Kulturkreisen: Das sorgt auch für Angst und Verunsicherung.

Sorgen und Ängste der Menschen möchten wir sehr ernst nehmen. Die aktuelle Situation ist für viele Menschen neu, ungewohnt und herausfordernd. Wir müssen nicht so tun, als wäre alles klar und einfach. Eine gesunde Skepsis kann auch ein wertvoller Ausgleich vor möglicher Naivität sein.
Deutlich bevor sich die aktuelle Situation mit den Flüchtlingen abzeichnet, hat unser Bischof Dr. Franz-Josef Bode ein pastorales Zukunftsgespräch angekündigt, welches am vergangenen Wochenende (25./26.09.2015) begonnen hat. Das Leitwort „… damit sie zu Atem kommen“ ist dem biblischen Buch Exodus entnommen. Ein Grundgedanke darin ist, dass wir unter dem Beistand Gottes keine Angst zu haben brauchen, auch wenn wir nicht immer abschätzen können, was uns die Zukunft noch bringen wird, auch wenn die Herausforderungen groß sind.

 

Es kursiert so manches Gerücht, und es wird so manches pauschal geäußert, das Vorbehalte schüren könnte. Brauchen wir mehr Achtsamkeit – im Interesse eines gedeihlichen Miteinanders? Wie lesen Sie in diesem Zusammenhang das 8. Gebot „Du sollst kein falsches Zeugnis von dir geben wider deinem Nächsten“?

Gerüchte und pauschale Vorbehalte gibt es unabhängig von der aktuellen Herausforderung mit den Flüchtlingen. Nicht immer steht eine böse Absicht dahinter, aber die Folgen können tatsächlich verheerend sein.
Die Gebote, die Sie ansprechen, beginnen mit einem Satz, der oft weggelassen wird, der aber wesentlich für das Verstehen der Gebote ist: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“ Ich darf mich als von Gott befreit sehen und als von Gott befreiter leben. Diese bewusste Erfahrung der eigenen Befreiung verlangt als logische Konsequenz den Aufbau eines gerechten Miteinanders, in dem auch andere Menschen sich als Befreite sehen und erleben dürfen.
Gerüchte, Verleumdungen und bewusste Falschaussagen stehen dazu in Widerspruch. Sie schädigen nicht nur den Anderen, sondern auch mich selbst, da sie mich innerlich – und im Ernstfall sogar äußerlich – unfrei machen. Den hebräischen Text der Bibel kann man hier sogar mit „Du wirst“ statt „Du sollst“ übersetzen: Ehrlichkeit und Gerechtigkeit sind die logische Konsequenz der Erfahrung der Befreiung.

 

02-StolteAnsgar Stolte

Geboren: 1975 in Ostercappeln.

Studium: in Frankfurt am Main, Münster, Rom und München.

Ansgar Stolte war als Diakon in Hamburg und Bremen tätig und wirkte drei Jahre in Lingen und Schepsdorf als Kaplan.

Ende 2012 übernahm Ansgar Stolte das Amt des Pfarrers in der Pfarreiengemeinschaft Ankum-Eggermühlen-Kettenkamp.

In seiner Freizeit fährt er gerne Fahrrad, geht gerne ins Kino, mag Gesellschaftsspiele und Musik.

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