Bloß keine Bersenbrücker Verhältnisse

„Bersenbrücker Verhältnisse“ ist zum geflügeltem Wort dafür geworden, wie Politik nicht laufen sollte. Warum, zeigte sich in den letzten Wochen erneut, am Beispiel Ankum und BSB.

Ein Kommentar von Rita Stiens.

„Gemeinsam leben lernen“ ist in der Grundschule Ankum zu lesen. Miteinander auskommen, gemeinsam leben lernen in den demokratisch gewählten Gremien einer Gemeinde, das ist für so manchen Politiker noch eine Lernaufgabe. „Bloß keine Bersenbrücker Verhältnisse“, ist z. B. in Ankum parteiübergreifend zu hören.

Was mit „Bersenbrücker Verhältnissen“ gemeint ist, zeigte sich gerade erst wieder am Beispiel zweier Grundstücksentscheidungen, die in der Schlussphase im März fast zeitgleich abliefen: In Ankum ging es um eine Bebauung an der Kolpingstraße, in Bersenbrück an der Bramscher Straße. In Ankum endete die Angelegenheit mit einem Konsens im Gemeinderat, in Bersenbrück mit einem weiteren Zerwürfnis zwischen CDU-Stadtratsmehrheit und Opposition. Warum diese Unterschiede? Es geht vor allem um zweierlei: 1. um Transparenz, 2. um die Achtung bzw. Missachtung der Rechte der Opposition.

 

Projekte Kolpingstraße: Öffentliche Präsentation in Ankum.

Lehrstück in Sachen Transparenz.

Transparenz und Grundstücksgeschäfte – das war traditionsgemäß eher ein Widerspruch in sich. Da wird doch alles nur zerredet, so ein weit verbreitetes Argument, und damit vertreibt man Investoren nur, denn die gehören zur Spezies scheue Rehe. Dieser Politik alten Stils setzte man in Ankum anderes entgegen: Anders als in Bersenbrück bei der Bramscher Straße, für die es 2 Investoren-Projekte gab, wurden in Ankum alle Investoren-Projekte (es waren 6) öffentlich zugänglich gemacht. In diesem Punkt gab es in Ankum eine maximale Transparenz.

 

Vieles gut, eines nicht gut genug gelungen.

Eine Herausforderung hat Ankum allerdings nicht mit Bravour bestanden: Das Bieterverfahren in vollem Umfang transparent abzuwickeln. Bei den Ratsmitgliedern, die die Sache mehrfach berieten, dominierte vor allem die Frage, welches Projekt das beste wäre. Darüber geriet die korrekte Verfahrensabwicklung immer wieder in den Hintergrund.

Rat und Verwaltung der Gemeinde Ankum.

Und so ist dem CDU-Ratsherrn Franz-Josef Ewerding zuzustimmen, wenn er beklagte: Nicht gewährleistet waren „gegenüber den Bietern Gleichbehandlung, Transparenz des Verfahrens, dass für jeden Bieter die gleichen Bedingungen vorliegen“. Als Erkenntnisgewinn sollten Verwaltung wie auch Ratsmitglieder daraus mitnehmen: Ein solches Verfahren muss mit mehr Professionalität gehandhabt werden.

Gelungen ist in Ankum jedoch Wesentliches in Sachen demokratisches Miteinander: Durch einen umfangreichen Diskussionsprozess gelang es, nahezu alle Ratsmitglieder mitzunehmen. Nun muss es für ein gedeihliches Klima im Rat nicht immer große Abstimmungsmehrheiten geben, aber es bedarf des guten Willens zur konstruktiven Zusammenarbeit. Es braucht zudem den Respekt der Regierenden vor den Rechten der Opposition. In Ankum gibt es den Willen zur Zusammenarbeit – auf Seiten der Opposition wie auf Seiten der Regierenden –, und es gab in den letzten Jahren auch aus der größten Oppositionsfraktion, der CDU-Fraktion, keine Klagen darüber, dass sie übergangen oder gar in ihren Rechten beschnitten wurde. Ganz anders die Situation in Bersenbrück.

Lächeln fürs Foto zur CDU-Stadtratsentscheidung, den Stadtdirektor (bis dahin Horst Baier) abzuschaffen. Von links: Elisabeth Middelschulte (Grüne), Gerd Uphoff (CDU), Horst Baier, Bürgermeister Klütsch und Franz Buitmann (CDU), Widu Höckelmann (SPD), Wolfgang Rathmann (UWG). Foto Samtgemeinde.

Besenbrück: Intransparenz, Missachtung von Rechten.

In Bersenbrück hat Tradition, was auch jetzt wieder geschah: Die CDU-Regierenden zogen eine Entscheidung kurzerhand durch und setzen sich nach dem Motto „wie haben die Mehrheit“ über so manches hinweg. Ob und inwieweit dabei grundlegende demokratische Rechte der Opposition verletzt wurden, soll jetzt im Nachspiel z. B. die Kommunalaufsicht klären.

Mit Bürgermeister Christian Klütsch an der Spitze unterstützte die CDU-Fraktion die Vorgabe eines der beiden Investoren, er wolle sein Projekt nicht öffentlich in einem Ratsgremium wie z. B. dem Bauausschuss präsentieren. Der Vorschlag von Oppositions-Fraktionen, das Projekt anonym, ohne Namensnennung, vorzustellen – vom Tisch gewischt. Offizielle, fristgemäß eingereichte Anträge der Opposition, das Thema Bramscher Straße auf die Tagesordnung des Rats zu setzen – missachtet. Sie wurden einfach in den nicht-öffentlichen Teil geschoben.

 

Das Projekt von HaseWohnbau.

Dem Vorbehalt „Kungelei“ kräftig Aufwind gegeben.

Dass es auf viele Fragen zum Projekt des Investors, der nichts öffentlich zeigen wollte, keine Antworten gab – beiseite gewischt. Die CDU-Mehrheit entschied – ruckzuck, hinter verschlossenen Türen. Warum? Zeitdruck kann es keinen gegeben haben, denn das Grundstück liegt bereits seit Jahren brach und der Bürgermeister verlor über Wochen kein Wort darüber, dass ein Projektvorschlag eingegangen war (von HaseWohnbau, in Kooperation mit der Heilpädagogischen Hilfe).

Entschieden hat sich die Stadt dann innerhalb weniger Tage für das noch nicht ausgereifte und spät eingegangene Projekt des Investors Clemens Seelmeyer. In Ankum zog Clemens Seelmeyer sein Projekt kurz vor der Abstimmung im Rat zurück, mit der Begründung, wie im Rat zu hören war, er wolle sich auf sein Projekt in Bersenbrück konzentrieren. Gerade Grundstücksgeschäfte stehen immer wieder unter dem Verdacht der „Kungelei“. Solchen Vorbehalten von Bürgern hat die Bersenbrücker CDU-Politik durch die mangelnde Transparenz kräftig Aufwind gegeben.

 

Der Sitz des Bersenbrücker Bürgermeisters.

„Bersenbrücker Verhältnisse“ = Arroganz der Macht.

Man könnte, was Bersenbrück angeht, eine ganze Beispielkette anführen für einen Regierungsstil, der die Opposition vielfach zur Staffage degradiert. Dieser Stil hat, je nach Temperament der Beteiligten, Frust zur Folge, Verärgerung, gar Wut und am Ende  ein politisches Hickhack, das die Demokratieverdrossenheit der Bürger nur befördern kann. Wer mag sich da noch im Rat engagieren? Wenn die Bereitschaft der Regierenden zum konstruktiven Miteinander gegen Null tendiert, ist das ein Armutszeugnis für die Regierenden und die Demokratie.

In Bersenbrück haben fast 44 % der Bürger nicht CDU gewählt. Ein Regieren nach dem Motto „wie haben die Mehrheit, basta“ ist Ausdruck von Arroganz der Macht und setzt sich auch konsequent über die vielen Bürger hinweg, die den Oppositionsparteien ihre Stimme gegeben haben.

 

Im Gespräch mit klartext über den Ehrenmalplatz: Markus Revermann (rechts), der vor fast 20 Jahren die UWG Rieste gründete, und Ralf Richter.

Mangelnde Transparenz beklagten die UWG’ler Markus Revermann (rechts) und Ralf Richter.

Auch andernorts Defizite.

Wird in nicht-öffentliche Ratsberatungen verlagert, was da gar nicht hingehört? Finden Anträge der Opposition die gebotene Beachtung? Diese Fragen standen in der letzten Ratsperiode auch in Rieste auf der Tagesordnung, aufgeworfen im letzten Jahr vor allem von der UWG im Zusammenhang mit dem Ehrenmalplatz. Transparenz und ein Regierungsstil, der der Opposition die ihr gebührende Berücksichtigung einräumt: In Rieste gibt es Anzeichen für Veränderungen. Es bleibt abzuwarten, ob sie von Dauer sind.

 

Ein besonderes Kapitel: Der Samtgemeinderat.

Im Samtgemeinderat verhält es sich umgekehrt: Da ist die Frage an die Opposition zu richten, wie sie ihre Arbeit versteht. Wer in den letzten Jahren regelmäßig Rats- und Ausschusssitzungen besuchte, nahm und nimmt vorrangig eines als Eindruck mit: Nachdem 2011 und 2012 eine 40jährige Herrschaft der CDU beendet wurde, dominiert im Kern Fundamentalopposition nach dem Motto „wir gegen die“.

Nach der Gründung von HaseEnergie: Mit „HaseWohnbau“ setzten UWGs, SPD, Grüne und Dr. Horst Baier das Thema „soziale Wohnraumversorgung“ auf die Tagesordnung.

Steht für eine Zäsur: Dr. Horst Baier.

Auch mehr als 5 Jahre nach den Wahlniederlagen der CDU ist Horst Baier, der erste Nicht-CDU-Samtgemeindebürgermeister, ein rotes Tuch. Damit zu leben, dass man in der Demokratie kein Dauer-Abo auf Wahlsiege hat, wurde bis heute nicht gelernt, auch dafür ließe sich eine Kette von Belegen anführen. Wenn der politische Gegner zum zu bekämpfenden Feind wird, ist jedem vernünftigen demokratischen Miteinander der Boden entzogen.

 

Fronten- statt Sachpolitik.

Immer wieder gibt im Samtgemeinderat nicht Sachpolitik den Ton an, sondern Anti-Baier bzw. Fronten-Politik. Was letzteres angeht, ist dann z. B. nicht die Frage, welche Schule was dringender braucht als eine andere, sondern die Frage, geht es um eine Gemeinde mit CDU-Bürgermeister oder nicht, um eine von „uns“ oder von „denen“.

Im Samtgemeinderat für die CDU (von links) Bersenbrücks Bürgermeister Christian Klütsch, Fraktionschef Gerd Uphoff, Alfhausens Bürgermeisterin Agnes Droste. Rechts: Dr. Horst Baier.

Ein kleines Beispiel dafür bot die Verabschiedung des Haushalts am 29. März. Dieser Haushalt war vorher im Ausschuss und in den Fraktionen beraten worden. Auf der Zielgeraden, kurz vor der Verabschiedung, stellte die Gruppe CDU/FDP noch einen Antrag, 30.000 € in den Haushalt einzustellen – Planungskosten für einen Sportplatz im CDU-regierten Alfhausen.

Wie unseriös dieses Ansinnen war, zeigte die Debatte zum Antrag: Niemand aus der CDU-Fraktion vermochte z. B. zu sagen, auch nicht Alfhausens Bürgermeisterin Agnes Droste (CDU), was da eigentlich geplant werden soll, was aus dem Sportplatz bei einer Sanierung werden soll, wer ihn überhaupt zu welchem Zweck nutzen will (Schule bzw. Verein), was es am Ende kosten würde/könnte.

Wie eine Vorbereitung in so einer Sache laufen muss, wusste man in der CDU-Fraktion genau, schließlich war es gerade am Beispiel Kunstrasenplatz in Bersenbrück durchexerziert worden. Trotzdem der Antrag zu Alfhausen. Politik zum Abgewöhnen war dieses Hickhack für die Zuschauer. So zu agieren, beschädigt das Vertrauen der Bürger in Politik ganz allgemein und das Vertrauen in die solchermaßen handelnden Politiker.

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Ein Kommentar

  1. Axel Klinkewitz

    Danke – Rita Stiens – für den Kommentar. Sachlich richtig, klar und wahr.
    Gut, dass die Bürger, die nicht für die CDU stimmten, hier noch eine Stimme haben, wenn sie auch sonst einfach überfahren werden – ganz undemokratisch.
    Als Neuling in der Lokalpolitik haben mich die Gemeinderatsstzungen für Bersenbrück
    mit dem kaltschnäuzigen Verhalten der CDU-Macher gegenüber allen Anliegen der Opposition fassungslos gemacht.

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