„Postenschacher“ in der Samtgemeinde?

Von Rita Stiens

Gibt es „Postenschacher“ in der Samtgemeinde?  Wurden gar Stellen geschaffen, um sie Parteifreunden zuzuschanzen? klartext schaut auch in sozialen Medien auf Äußerungen prominenter Politiker. Hier mal wieder ein Fall für der Fakten-Check.

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Aussagen von Politikern, die wichtige Ämter innehaben, kommt eine besondere Bedeutung zu. Bürgermeister gehören dazu oder Fraktionsvorsitzende. Jüngst sorgte Samtgemeindebürgermeister Dr. Horst Baier mit einer Äußerung zu Kettenkamp für Aufsehen und im Samtgemeinderat für Empörung bei CDU-Vertretern. Er hatte einen Kommentar zu Kettenkamps Nein zur Aufnahme von Flüchtlingen im Haus Stegemann mit dem Satz versehen: „Das erinnert mich an die Haltung von Ungarn“. Ihn, Baier erinnert das. Diesen persönlichen Eindruck Baiers kann man teilen oder nicht. Die Schreiberin dieser Zeilen teilt ihn zum Beispiel nicht und hält die Äußerung für unangemessen. Ein Fall für den Fakten-Check ist sie aber nicht. Warum nicht? Weil es eine subjektive Meinungsäußerung ist und keine Tatsachenbehauptung. Mehr dazu im Kasten unten.

 

Vorwurf Postenschacher: Ein Fall für den Fakten-Check.  

Der folgende Satz, mit einem Ausrufungszeichen versehen, ist eine Tatsachenbehauptung: „Ob Wirtschaftsförderer, neuer SGR etc. Postenschacher ohne Rücksicht auf Kompetenz und Finanzen!“ Zu lesen ist er auf der Facebook-Seite der CDU Bersenbrück-Gehrde. Geschrieben wurde er vom prominenten CDU-Mann Günther Kosmann, Fraktionschef in Ankum, Samtgemeinderat, Ausschussvorsitzender Finanzen. Warum? In der „Bild“-Zeitung war zu lesen, Niedersachsens CDU-Opposition, „prangert Rot-Grünen Posten-Schacher an; 226 neue Regierungs-Jobs in nur drei Jahren!“. Günther Kosmann nimmt diesen Ball auf und schreibt: „Rotgrünuwg der SG und Baier setzt auch entsprechende Zeichen“. Stimmt das?

Auf dem klartext-Prüfstand: Die Behauptungen von Günther Kosmann.

Auf dem klartext-Prüfstand: Die Behauptungen, es gebe Postenschacher.

 

Die Fakten: Geschaffen wurde nur eine neue Stelle.

Wirtschaftsförderer Ewald Beelmann.

Wirtschaftsförderer Ewald Beelmann.

Neu geschaffen wurde seit dem Antritt des neuen Samtgemeinderats Ende 2011 und Baiers Amtsantritt im März 2012 exakt 1 Position: Die Stabsstelle Wirtschaftsförderung. Die CDU-Fraktion war gegen die Einrichtung einer solchen Stelle. Wurde sie mit einem Parteifreund von Rot, UWG oder Grünen besetzt? Die Fakten sind: 1. Die Stelle wurde ausgeschrieben. 2. Es gab 53 Bewerbungen. 3. Der Samtgemeindeausschuss stimmte schließlich einstimmig, also mit den Stimmen der CDU-Vertreter, für die Person Ewald Beelmann aus Haselünne zu (noz 19.07.2013). Postenschacher – bei 53 Bewerbungen plus der Zustimmung der CDU zu Beelmann als Wirtschaftsförderer?

Laut Duden bedeutet das Wort Postenschacher die „Vergabe von Stellen ohne öffentliche Ausschreibung“. In beiden von Günther Kosmann benannten Fällen (Wirtschaftsförderer und 1. Samtgemeinderat) gab es Ausschreibungen – also keinen Postenschacher.

 

Mit Franz Buitmann, Klaus Wübbolding und Günther Kosmann werden drei der vier Ausschüsse von Mitgliedern der CDU-Fraktion geleitet.

Drei der vier Ausschüsse des Samtgemeinderats werden von Mitgliedern der CDU-Fraktion geleitet.

Im Samtgemeinderat: Lauter einstimmige Entscheidungen zu CDU-Kandidaten.

Gab es Postengerangel oder Postenanhäufungen von „Rotgrünuwg“ im Samtgemeinderat? 2011 verlor die CDU, erstmals nach 40 Jahren, die absolute Mehrheit und sah sich einer Mehrheit aus SPD, UWGs und Grünen gegenüber. „An diese Situation müsse sich die CDU-Fraktion erst noch gewöhnen“, sagte damals Gerd Uphoff (CDU). Wie ging die neue Mehrheit mit der CDU um?
In der ersten Sitzung des neuen Samtgemeinderats – im November 2011 – ging es um wichtige Personalentscheidungen wie z. B. den neuen Ratsvorsitzenden, die Besetzung der Ausschüsse, die Ausschussvorsitzenden usw. Einige der wichtigsten Ergebnisse:

  • Zum Ratsvorsitzenden wird ein CDU-Mann gewählt – einstimmig, also mit den Stimmen von SPD, UWGs und Grünen.
  • Drei der vier Ausschussvorsitze gingen an die CDU – ebenfalls einstimmig. Auch Günther Kosmann wurde einstimmig zum Vorsitzenden des Ausschusses Finanzen gewählt.
Manfred Krusche (SPD): „Ein bessere Klima im Rat schaffen.“

Manfred Krusche (SPD): „Ein besseres Klima im Rat schaffen.“

Manfred Krusche (SPD) sagte damals: „Die Gruppe möchte ein besseres Klima im Rat schaffen, indem alle Fraktion soweit wie möglich in die Arbeit eingebunden werden, damit eine vertrauensvolle Atmosphäre entstehen kann“. Die Abstimmungsergebnisse „einstimmig“ belegen, dass die neue Mehrheit den Worten Taten folgen ließ. Und sie setzte diesen Kurs fort: Vor wenigen Monaten, im Oktober 2015, wurde, nach dem Tod Helmut Kräuters, mit Dr. Hermann Meyer erneut – einstimmig – ein CDU-Mann als Ratsvorsitzender gewählt. Die Mehrheit aus SPD, UWGs und Grünen verzichtete darauf, einen eigenen Kandidaten aufzustellen und durchzusetzen.

 

Nur 1 Wechsel ohne Zustimmung der CDU seit Ende 2011.

Eine einzige die Verwaltung betreffende personelle Veränderung wurde im Verlauf der letzten Jahre gegen den Willen und die Stimmen der CDU getroffen. Es ging dabei um die Besetzung des Postens Erster Samtgemeinderat. Diese Position, seit 16 Jahren besetzt von Johannes Koop (CDU), ist ein Beamtenverhältnis auf Zeit (8 Jahre).
Am 15. Juli 2015 entschied der Samtgemeinderat, die Stelle nach 16 Jahren erstmalig auszuschreiben, wie es als Grundregel der Kommunalverfassung steht. Ausgewählt aus den Bewerberungen wurde am Ende Andreas Güttler. Er wird sein neues Amt zum 1. Mai diesen Jahres antreten.

Maike Korfage (links) verstärkt bei der Flüchtlingsarbeit den Fachdienst IV. Der zweite v. links: Fachdienstleiter Andreas Schulte.

Maike Korfage (links) verstärkt bei der Flüchtlingsarbeit den Fachdienst IV. Der zweite v. links: Fachdienstleiter Andreas Schulte.

 

Fazit des Fakten-Checks.

Das Fazit zur Aussage von Günther Kosmann: Es gab keine Aufblähung des Verwaltungsapparats, denn es wurde nur eine zusätzliche Stelle (Wirtschaftsförderer) geschaffen – mit Zustimmung der CDU zur Besetzung dieser Stelle.
In der Verwaltung blieb alles beim Alten, wie es in 40 Jahren CDU-Regierung entstanden und gewachsen war. „Rausschmisse“ gab es keine. Die einzige von Rot-Grün-UWGs herbeigeführte Veränderung ist die Neubesetzung des Postens Erster Samtgemeinderat – nach Ablauf des Zeitvertrags des bisherigen Stelleninhabers.
Wofür steht das „etc.“ bei Günther Kosmann („Wirtschaftsförderer, neuen SGR etc.“). Steht es für Kritik an der Arbeitsentlastung des Fachdienstes IV, zuständig für Flüchtlinge? Dann sollten Ross und Reiter genannt werden. Angesichts der deutlich steigenden Flüchtlingszahlen wurde im August 2015 eine halbe Stelle zur Unterstützung des Fachdienstes IV geschaffen und mit der Sozialarbeiterin Maike Korfage besetzt. Eingebunden wird auch ein Mitarbeiter des Bundesfreiwilligendienstes (Bufdi).
Da der Landkreis Gelder für die Flüchtlingsarbeit Verfügung stellt, können diese Personalkosten vermutlich, zumindest teilweise, darüber finanziert werden. Welche Arbeitsbelastung für die Verwaltung mit der zunehmenden Zahl der Flüchtlinge verbunden war und ist: mehr dazu hier.

 

Wer oder was ist ein Fall für den Fakten-Check?

Der klartext-Fakten-Check beschäftigt sich mit Tatsachenbehauptungen, nicht mit subjektiven Meinungsäußerungen. Eine subjektive Meinungsäußerung geht von sich selbst aus wie „ich meine..“, „für mich sieht es so aus…“. Eine Aussage wie „Postenschacher ohne Rücksicht auf Kompetenz und Finanzen!“ ist eine Tatsachenbehauptung. Es wir behauptet, so und nicht anders ist es. Solche Tatsachenbehauptungen sind ein Fall für den Fakten-Check.

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4 Kommentare

  1. Axel Torbecke

    Sehr viele sehr interessante Hintergrundinformationen werden hier wiedergegeben. Leider kann man auf diese Informationen nicht vertrauen, da die Autorin sie durch Ihre eindeutige politische Parteinahme entwertet. Als „neutraler“ Leser vermutet man eine gezielte Beeinflussung und Meinungsmache, auch mit Mitteln der einseitigen Information.
    Schließe mich aber Herrn Müller an, trotzdem gut, dass es diese Seite gibt!

  2. Rita Stiens

    Eine „hahnebüchene Aussage“ (wie ein Kritiker schreibt), wenn klartext sagt, die Samtgemeinde könne Personalkosten für Flüchtlinge zumindest teilweise über Gelder vom Landkreis finanzieren? klartext empfiehlt, das Interview mit dem stellv. Landrat Werner Lager zu lesen. klartext stellt darin die Frage:
    klartext: Ich höre da raus, dass sich die Samtgemeinde Bersenbrück darauf einstellen muss, dass ein Teil der Personalkosten an ihr hängenbleibt?
    Antwort des stellv. Landrats Werner Lager: „Das wird so sein. Der Landrat ist schon der Meinung, dass wir als Landkreis nicht alle Personalkosten übernehmen können.“
    Was anderes heißt das als: Der stell. Landrat Werner Lager schätzt die Sachlage so ein, dass der Landkreis nicht alle, aber einen Teil der Personalkosten für Flüchtlinge übernehmen wird.
    Rita Stiens

  3. Reiner Mühlbauer

    Sehr interressanter Artikel ;-)

    hatten wir das Thema nicht was Presse sollte und was nicht ?

    Hier wird sich einmal mehr eindeutig positioniert statt einfach nur informiert !

    Selbstverständlich kann man die Aussage des werten Herrn Dr. Baier aus dem Zusammenhang reißen und dann noch als „persönliche Meinung“ verniedlichen und andere Aussagen aufblasen bis auf die Zeichensetzung.

    Fakt ist aber das eine zusätzliche Stelle geschaffen wurde, juristische Expertise zukünftig extern eingekauft werden muß, sowie im Bereich der Bearbeitung der Flüchtlingsangelegenheiten ebenfalls zusätzliche Ressourcen geschaffen.

    Auch wenn dies zweifelsohne Sinn macht, so werden die dadurch anfallenden Kosten durch eine hahnebüchene Aussage wiederum relativiert :

    „… , können diese Personalkosten vermutlich, zumindest teilweise, darüber finanziert werden. “

    Das ist keine seriöse Berichterstattung liebes Klartextteam, das journalistisch korrekte Stilmittel ist für derartiges der Kommentar, der auch als solcher gekennzeichnet ist und nicht ein „Fakten-Check“ der den Ansprüchen an selbigen nun gar nicht genügt ;-)

    • Thomas Müller

      Dem kann ich nur zustimmen!

      Anstatt über ein Facebook-Kommentar(!) einen „Fakten-Check“ zu bringen, wäre es doch viel informativer einen „Fakten-Check“ über die öffentlich getätigte Aussage des Herrn Baiers zu bringen. Trotz subjektiver Aussage, wäre es möglich, tatsächlich einmal die Zustände in Kettenkamp mit den Zuständen in Ungarn zu vergleichen und daraus ein Fazit über die Angemessenheit dieser Aussage zu ziehen.

      Stattdessen wird ein Kommentar bis auf kleinste auseinander genommen, dass im Vergleich doch recht harmlos ist. Auch wenn es dem „Fakten-Check“ nach falsch ist.

      Zum Glück wird vermutlich jedem kritische Leser auffallen, dass die Autorin die unangemessenere Aussage sehr schnell abgehandelt und sich dann auf eine, dazu verglichene, Lappalie eingeschossen hat.

      Das diese politsche Arbeit der Autorin als Journalismus verkauft werden soll, kann einem kritischen Leser fast nur ein Lächeln abfordern, besonders an den Stellen wo die Autorin versucht ihren Schreibstil vor dem Leser zu rechtfertigen:

      „Ein Fall für den Fakten-Check ist sie aber nicht. Warum nicht? Weil es eine subjektive Meinungsäußerung ist und keine Tatsachenbehauptung.“

      „Der klartext-Fakten-Check beschäftigt sich mit Tatsachenbehauptungen, nicht mit subjektiven Meinungsäußerungen.“

      Wie kann deine eine einzige Person ernsthaft behaupten eine „Fakten-Check“ durchzuführen ohne subjektiv zu sein? Besser wäre es, wenn jeder Artikel auf dieser Website mit den Worten „Ich, finde..“ o.Ä. anfangen würde. Auf jeden Fall sollte die Texte nich als Artikel oder Berichte deklariert werden, sonder besser als Kommentar oder Kolumne von Rita Stiens.

      Zum Schluss muss ich aber noch grundsätzlich gutheißen, dass es eine Plattform wie diese überhaupt gibt und Sie, Frau Stiens, sich in dieser Weise engagieren. Vielen Dank!

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