In der Fahrzeughalle umziehen: So ist es bislang in mehreren Feuerwehrhäusern – aber so soll und darf es aus gewichtigen Gründen nicht bleiben. Warum stehen Veränderungen an? Um einen besseren Schutz der Feuerwehr-Männer und -Frauen vor gesundheitlichen Gefährdungen und Unfällen zu gewährleisten.
Was für ein Unterschied! Im Vergleich zu den Feuerwehrhäusern der Samtgemeinde aus den 1980er Jahren wie z. B. denen in Ankum und Kettenkamp sind die beiden neusten, die 2012 und 2017 fertiggestellten Feuerwehrhäuser in Bersenbrück und Talge, signifikant anders ausgestattet. Dort stehen z. B. keine Spinde in der Fahrzeughalle. Fürs Umziehen gibt es Umkleideräume.
Der Grund dafür: Die Neubauten in Bersenbrück und Talge wurden nach neueren Arbeitsschutzbestimmungen respektive DIN-Normen errichtet. So wird dort auch der Tatsache Rechnung getragen, dass verschmutzte Einsatzkleidung eine Gesundheitsgefährdung darstellt für die Feuerwehr-Männer und -Frauen. Was hat es mit dieser Gefährdung auf sich und was soll und muss sich in den 5 älteren Feuerwehrhäusern ändern?
„Heute weitaus gefährlicher als früher“.
„Wenn vor 30, 40 Jahren ein Haus brannte“, erklärt Gemeindebrandmeister Stefan Bußmann, „verbrannte Holz, Holz, das auch nicht imprägniert war. Der Rauch, der dabei entstand, war bei weitem nicht so gefährlich wie es der Rauch von heute ist. Heute verbrennen an der Einsatzstelle z. B. ganz viele Kunststoffe und es entstehen Rauchgase, die gefährliche Verbindungen enthalten. Dieser Rauch setzt sich überall fest, haftet an der Kleidung, am Helm, an den Schuhen, auf Haut und Haaren.“
So besteht Brandrauch aus Wasserdampf und Ruß. An die Rußpartikel docken Zersetzungsprodukte an – akut toxische anorganische Zersetzungsprodukte wie z. B. Kohlenmonoxid, Chlorgas, Schwefeldioxid, Schwefelwasserstoff usw. sowie hochgiftige organische Zersetzungsprodukte wie z. B. Benzol und sogenannte PAKs (Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe), von denen viele als krebserregend eingestuft sind.
Es geht auch nicht nur um Brände und Rauch. Weil die Feuerwehren heutzutage eine Vielzahl weiterer Aufgaben erfüllen (mehr dazu hier), kommen ihre Einsatzkräfte z. B. auch bei Unfällen mit so manchem in Berührung, das sie gefährden könnte.
Schutzkleidung gast noch über mehrere Stunden aus.
Gast aus: Das bedeutet, dass im Einsatz getragene Schutzkleidung im Nachgang noch über mehrere Stunden gefährliche Schwebstoffe aussondert, die bei einem Brand- oder Hilfeleistungseinsatz von der Kleidung aufgenommen wurden. „Darum wird auch schon direkt vor Ort“, so Bersenbrücks Ortsbrandmeister Christian Kessens, „auf eine strikte Einsatzstellen-Hygiene geachtet. So ist es den Feuerwehrleuten z.B. untersagt, an der Einsatzstelle zu essen oder zu rauchen, weil übers Essen und Rauchen Schwebstoffe über die Atemwege (inhalativ) oder über die Haut und Schleimhäute (resorptiv) aufgenommen werden können.“
Für eine Erstreinigung am Einsatzort, z. B., um sich die Hände zu waschen, gibt es sogenannte Hygieneboards. Damit rüstete z. B. die Feuerwehr Talge ihr Fahrzeug nach, gesponsert vom Förderverein. Bei Neuanschaffungen von Fahrzeugen ist es Standard und Ziel in der Samtgemeinde, sicherzustellen, dass jede Feuerwehr über mindestens 1 Fahrzeug mit Hygieneboard verfügt und die größeren über zwei.
So ein Hygieneboard bietet auf wenig Raum Reinigungsmöglichkeiten wie einen Hahn, aus dem Wasser fließt, Seife, Desinfektionsmittel, Tücher. Zur Ausstattung des neuen Tanklöschfahrzeugs „TLF 3000“, dessen Einweihung die Freiwillige Feuerwehr Ankum im Oktober 2019 feierte, gehört auch schon ein Hygieneboard mit dazu – in Gestalt eines ausziehbaren Elements, das Ortsbrandmeister Tim Schulte als „besonders hilfreich“ bezeichnete, nicht zuletzt bei Unfällen mit Verletzten. Nun ist es mit einer Erstreinigung vor Ort aber nicht getan.
Schwarz-Weiß-Trennung. Schadstoff-Verschlepper Einsatzkleidung.
Sie retten, löschen, bergen, schützen, unsere Feuerwehr-Männer und -Frauen, und sie haben ein Anrecht darauf, umfassend vor Gefährdungen, denen sie ausgesetzt sind, geschützt zu werden. Wie dieser Schutz gewährleistet werden kann und soll, zeigt der Feuerwehrbedarfsplan.
Bei der Erstellung dieses Plans wurden auch alle Feuerwehrhäuser unter die Lupe genommen – mit dem Ergebnis, dass in den älteren Feuerwehrhäusern ein großer Veränderungsbedarf besteht. Der Grund dafür liegt auf der Hand, denn ein vor 25, 30 oder gar mehr Jahren gebautes Feuerwehrhaus wurde nach den damaligen Normen gebaut und entspricht darum nicht den Standards von heute.
Was aus Arbeitsschutz- und Sicherheitsgründen gar nicht mehr sein darf: Dass die Fahrzeughalle zugleich der Umkleidebereich mit Spinden ist. Den Normen entsprechend, muss der Umkleidebereich ein separater Teil innerhalb eines Feuerwehrkomplexes sein. Realisiert werden muss die sogenannte Schwarz-Weiß-Trennung – um zu verhindern, dass gefährlicher Schmutz, der an Schuhen, Jacken und Hosen, Helmen, an Haut und Haaren haftet, durchs ganze Feuerwehrhaus verschleppt und möglicherweise sogar nach Hause mitgenommen wird, wo er Kinder und andere Angehörige gefährdet.
Weil es eine Schwarz-Weiß-Trennung bislang nur in den beiden Feuerwehrhäusern in Bersenbrück und Talge gibt, steht für die anderen 5 Feuerwehrhäuser der Samtgemeinde die Aufgabe an, sie einzurichten.
Ein zentrales Element der Schwarz-Weiß-Trennung sind separate Umkleideräume – eine Arbeitsschutzmaßnahme, die auch den Vorteil bietet, dass sich die Feuerwehr-Männer und -Frauen – die ihren Dienst allesamt ehrenamtlich leisten – unter zumutbaren Bedingungen umziehen können. Bei der Freiwilligen Feuerwehr in Talge erinnert man sich z. B. noch gut daran, wie es war, als die Spinde noch in der Fahrzeughalle standen und man sich nicht nur in größter Enge, sondern im Winter auch noch bei eisiger Kälte in der Halle umziehen musste.
In Bersenbrück: Grenzziehung Schwarz-Weiß per Fuge.
Der Umkleidebereich muss aber nicht nur ein von der Fahrzeughalle getrennter Bereich sein. Es muss auch eine Trennung geben zwischen den Räumen, die die Feuerwehr-Männer und -Frauen vor und nach einem Einsatz zum Umziehen sowie Waschen oder Duschen betreten (Schwarzbereich) und anderen Örtlichkeiten im Feuerwehrhaus wie Büros und Besprechungsräume (Weißbereich). In Bersenbrück gibt es da als Markierung eine weiße Fuge auf dem Boden.
„Die häufigsten Unfälle sind Ausrutschen und Umknicken“.
„Nicht normgerecht“ sind z. B. zwei Wörter, die im Feuerwehrbedarfsplan an einigen Stellen vorkommen, und die signalisieren, dass etwas verändert werden muss. Nicht normgerecht sind Spinde in der Fahrzeughalle, aber noch so manches mehr. Wie kommt es eigentlich zu den Normen?
„Die Feuerwehr-Unfallkasse“, so Gemeindebrandmeister Stefan Bußmann, „sammelt alles zu Unfällen bei Feuerwehren. Beispiel: Es gab einen Unfall, weil ein Feuerwehrmann im Feuerwehrhaus eine Autotür an den Kopf bekam. Da wird dann geschaut, warum das passiert ist. Die Erkenntnis kann sein: Weil die Fahrzeuge zu dicht beieinander stehen, weil zu wenig Abstand vorhanden ist. Aus der Auswertung von Unfällen werden dann Konsequenzen gezogen, werden neue Normen entwickelt. Die häufigsten Unfälle, die bei der Feuerwehr vorkommen, sind Ausrutschen und Umknicken. Darum sollten Feuerwehrhäuser z. B. mit einem rutschfesten Boden ausgestattet sein“.
Zu wenig Platz, man könnte eine Tür an den Kopf bekommen, ein rutschiger Untergrund – das sind ziemlich greifbare Gefahrenpotentiale. Dass Schmutz an der Schutzkleidung wie auch an Haut und Haaren eine Gesundheitsgefahr darstellt, ist weniger greifbar und wird wohl auch deswegen noch vielfach unterschätzt. Dennoch ist die Gefahr real.
Schwarz-Weiß-Trennung: Anbauten sind eine mögliche Lösung.
Der Feuerwehrbedarfsplan der Samtgemeinde liefert eine umfassende Bestandsaufnahme zur Schwarz-Weiß-Trennung in den Feuerwehrhäusern. Was sich daraus ergibt, muss zu jedem Feuerwehrhaus erarbeitet werden. Im Bedarfsplan heißt es z. B. zum Feuerwehrhaus in Alfhausen: „Im Sinne einer Schwarz-Weiß-Trennung ist die PSA (persönliche Schutzausrüstung) aus der Fahrzeughalle zu entfernen“. Wohin damit, wie eine Schwarz-Weiß-Lösung realisieren? Für das Feuerwehrhaus in Alfhausen wird im Bedarfsplan ein Anbau empfohlen, ebenso wie für die Feuerwehrhäuser in Kettenkamp, Gehrde und Rieste.
Zum Feuerwehrhaus in Ankum heißt es im Feuerwehrbedarfsplan sogar, dass eine Weiternutzung des jetzigen Standorts bei der bisherigen Grundstücksgröße nicht möglich ist. Das Grundstück sei zu klein, um die gebotenen Arbeitsschutzmaßnahmen zu realisieren. Das bedeutet: Es bedarf eines ausreichend großen Grundstücks, um darauf einen Neubau zu errichten. Was wird wann kommen?
Der Feuerwehrbedarfsplan ist eine Aufgabenstellung für die kommenden 10 Jahre. Inzwischen sind bereits so einige Projekte in Arbeit. Die Tagesordnungen der kommenden Sitzungen des Feuerwehrausschusses werden zeigen, was so weit gediehen ist, dass Entscheidungen in den Gremien der Samtgemeinde getroffen werden können.
„Wird uns noch viele Schulungsstunden kosten“.
Eine Schwarz-Weiß-Trennung zu realisieren, bedeutet aber nicht nur, dass die Samtgemeinde Geld für Baumaßnahmen in die Hand nehmen muss. Für viele Feuerwehr-Männer und -Frauen bedeutet sie, Abschied zu nehmen von alten Gewohnheiten.
Andere schützen – darum dreht sich alles bei Feuerwehr-Männern und -Frauen. Sich selber im Feuerwehrhaus besser zu schützen, die Einsatzkleidung z. B. mit anderen Augen sehen, sie als Gefahrenquelle wahrzunehmen: Vielleicht sieht nicht jeder gleich ein, warum die Durch- und Umsetzung der Schwarz-Weiß-Trennung in allen Feuerwehrhäusern nicht übertrieben, sondern notwendig ist.
„Es gibt Feuerwehrleute, die stehen darauf, dass man richtig schwatt, also schwarz und schmutzig sein muss“, weiß Tim Schulte, in Ankum Ortsbrandmeister und zudem stellv. Gemeindebrandmeister, aus Erfahrung. Schwarz-Weiß, sieht er voraus, „wird uns noch viele, viele Schulungsstunden, viel Einweisung und auch Ansagen kosten“. „Man muss damit anfangen, und dann wird es auch zur Selbstverständlichkeit werden“, ist Gemeindebrandmeister Stefan Bußmann optimistisch.