„Eine tolle Veranstaltung – und das in Ankum“

Viel Lob war nach Ende der Fairtrade-Podiumsdiskussion zum Thema „Der Preis der Mode“ von Zuschauern zu hören. Das hochkarätig besetzte Podium bot höchst kompetent viel Stoff. Redebeiträge wurden vom Publikum immer wieder mit Beifall honoriert.

Gut besucht: Die Fairtrade-Podiumsveranstaltung zum Thema „Der Preis der Mode“.

Wie all‘ das verändern, was heute den größten Teil der Modeherstellung ausmacht: Hungerlöhne, katastrophale Arbeitsbedingungen von Textilarbeiterinnen und -arbeitern in Äthiopien, Bangladesh oder Indien, bittere Armut, gewaltige Umweltzerstörungen? Das ganze Ausmaß der Verheerungen hatte am 29. Januar der Kinoabend mit der filmischen Dokumentation „The True Cost – Der Preis der Mode“ gezeigt.

Das Podium (von links): Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth, Kalina Magdzinska (Brands Fashion), Michaela Reithinger (TransFair), Moderator Franz-Josef Ewerding, Dr. Markus Demele (Kolping International), Prof. Dr. Petra Leutner (Uni Fresenius) und Barbara Küppers (terre des hommes).

Gestern nun eine Podiumsdiskussion im See- und Sporthotel in Ankum zu der Frage, wie verändern, was eine Katastrophe ist für Hunderttausende Menschen, für die Natur und die Umwelt? Wer muss etwas tun, wer tut da schon was? Welche Rolle spielen wir, die Verbraucher?

 

„Ethischer Konsum ist total schwierig“.

„Das geht mir auf den Zeiger, dass der Verbraucher ständig mit Moral belästigt wird“, sagte Barbara Küppers vom Kinderhilfswerk terre des hommes. Der Verbraucher könne da gar nicht durchblicken.

Und sie meinte damit, dass Verbraucher völlig damit überfordert sind zu beurteilen, ob es ethisch und moralisch vertretbar ist, dieses oder jenes T-Shirt oder diese oder jene Jeans zu kaufen.

Zahlreiche Ankumer unter den Zuhörern, aber auch Interessierte aus den Nachbarorten.

Dass ich mich als Einzelmensch dauern fragen muss, ob es ethisch oder moralisch vertretbar ist, dieses und jenes zu kaufen, hielt auch Dr. Markus Demele, Generalsekretär Kolping International, für eine Fehlentwicklung.

So, wie es jetzt sei, erzählte er aus seiner Erfahrung, sei „ethischer Konsum total schwierig“. Seine Forderung: Der staatliche Ordnungsrahmen müsse so ausgestaltet sein, dass eine solche Situation für Verbraucher gar nicht erst entsteht. Demele, der sich als „Links-Katholik“ bezeichnete, argumentierte auf der Basis der katholischen Soziallehre. Danach müsse sich z. B. der Mensch von seiner Arbeit ernähren können. Er forderte das Handeln der Politik und da vor allem die Verabschiedung des Lieferkettengesetzes. Ja zu einem Lieferkettengesetz sagten alle auf dem Podium.

Und darum geht es beim Lieferkettengesetz.

Dass es für Verbraucher derzeit ungemein schwer ist, sich verlässlich zu orientieren, bestätigte auch Michaela Reithinger von Fairtrade Deutschland (TransFair e.V.), weil es viel „Greenwashing“ gebe sprich Labels, die mehr suggerieren als sie halten, und die nicht unabhängig geprüft sind.

Moderatorin Yvonne Willicks erkrankt. Die bekannte WDR-Journalistin und Moderatorin Yvonne Willicks musste kurzfristig wegen Erkrankung absagen. Für sie sprang Franz-Josef Ewerding als Moderator ein.

Die ersten Reihen waren für „special guests“ reserviert.

 

„Wenn freiwillig nicht greift, machen wir Ordnungsrecht“.

Die Politik war auf dem Podium mit Dr. Maria Flachsbarth vertreten, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Sie stellte den „Grünen Knopf“ vor, ein Gütesiegel, das aussagt, dass ein Kleidungsstück unter „ordentlichen Bedingungen hergestellt wird“. Derzeit nur zum Teil unter ordentlichen Bedingungen, schränkte sie selber ein, denn die Zertifizierung bezieht sich derzeit nur auf Teilbereiche der Modeherstellung, auf das Färben, Zuschneiden und das Nähen. Nicht mit einbezogen seien die Baumwolle und die Spinnerei.

Alle Altersgruppen waren bei der Podiumsdiskussion vertreten.

Unterschriftenliste fürs Lieferkettengesetz.

Dafür, dass ein Lieferkettengesetz verabschiedet wird, das die gesamte Kette umfasst, sammelt ein Aktionsbündnis, zu dem auch kirchliche Initiativen gehören, derzeit Unterschriften. Auch in Ankum lagen Listen aus. In Teilen der CDU gebe es Widerstand gegen ein solches Gesetz, war bei der Veranstaltung zu hören. Dazu kam von Staatssekretärin Flachsbarth eine klare Aussage: Man habe auf Freiwilligkeit gesetzt, aber „wenn freiwillig nicht greift, machen wir Ordnungsrecht, noch in dieser Legislaturperiode“.

Veranstalter des Doppelpacks Kinoabend und Podiumsdiskussion waren die Kolpingsfamilie Ankum (hauptverantwortlich), das Kolpingwerk Diözesanverband Osnabrück, die Kolpingjugend und die Gemeinde Ankum als Fairtrade-Town.

 

Es geht, wenn man es will.

Dass es geht, die Lieferkette transparent zu machen, dafür stand Kalina Magdzinska vom Nachhaltigkeitsteam des Unternehmens Brands Fashion (Arbeitsbekleidung, Sportbekleidung, Mode). Brands Fashion hat weltweit die erste zertifizierte Lieferkette nach dem Fairtrade Textilstandard. 4 der 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten in der 2012 gegründeten Nachhaltigkeitsabteilung.

Hohes Interesse – und immer wieder kam aus dem Publikum Beifall für die Podiumsgäste.

Dr. Petra Leutner, Professorin für Modetheorie und Ästhetik an der Hamburger Dependance der privaten Hochschule Fresenius, brachte die Vision ein: Nachhaltig produzierte Mode müsse billiger sein als andere Mode. Was einer Umkehrung der bisherigen Verhältnisse entspricht.

© Grandfilm, The True Cost.

Derzeit wird der Markt überschwemmt mit billiger Mode, die größtenteils unter menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen hergestellt wird, und die gewaltige Umweltschäden verursacht. Nachhaltig produzierte Mode, die Menschenrechte wie auch Natur und Umwelt achtet, ist dagegen deutlich teurer. Wie eine solche Umkehrung erreichen? Das ist auch für Dr. Leutner eine noch offene Frage. Solange der Profit über alles geht, bleibt wohl Vision, was dringend geboten wäre.

So mancher zückte sein Handy, um Bildimpressionen mit nach Hause zu nehmen.

 

„Der Weg ist noch ganz weit“. „Second hand ist eine tolle Lösung“.

Die Podiumsveranstaltung bot ein Füllhorn an Informationen, zeigte Lösungsansätze auf, machte aber zugleich sichtbar, was Markus Demele sagte: „Der Weg ist noch ganz weit“.

Wie zu größeren Erfolgen kommen? Man müsse „die Verbrauchermacht mit ins Boot holen“, so Staatssekretärin Flachsbarth. Mit dem „Grünen Knopf“ ist da ein Anfang gemacht. Allerdings ist der Anteil Mode, der das Etikett fair verdient, bislang verschwindend gering.

„Fairer Welthandel statt freier Welthandel“, wie Bundesentwicklungsminister  Dr. Gerd Müller fordert – von diesem Ziel sind wir noch weit entfernt. Auf welchen Feldern die Politik handeln muss, wurde klar umrissen. Aber auch Verbraucher können schon heute einiges tun: Sich z. B. fragen, ob tatsächlich so viel Mode gebraucht wird, wie im Kleiderschrank hängt. Second hand zu kaufen, sei eine „tolle Lösung“, so Kalina Magdzinska von Brands Fashion.

Die Schlussphase gehörte Landrätin Anna Kebschull und Ankums Bürgermeister Detert Brummer-Bange.

 

Landrätin Anna Kebschull unter den Gästen. Fair gehandelte Blumen für die Podiumsgäste.

Anna Kebschull, Markus Heitmann.

Kurz nach Beginn der Veranstaltung konnte Kolping-Vorstand Markus Heitmann auch noch Anna Kebschull begrüßen, die zum Ende der Veranstaltung sprach. Viel Wertschätzung der Landrätin für die faire Sache, für den hohen Informationsgehalt der Veranstaltung, für Ankum als Fairtrade-Town und für die Kolpingsfamilie.

Dass die Politik handelt, wünschte sich auch Ankums Bürgermeister Detert Brummer-Bange. Er eröffnete seinen Redebeitrag mit „My fair Ladies und Gentlemen“. So habe der Fairtrade-Ehrenbotschafter Manfred Holz die Versammelten begrüßt bei der Feier anlässlich der Auszeichnung der Gemeinde Ankum als Fairtrade-Town. Das habe ihm, so der Bürgermeister, besonders gut gefallen. Als Dankeschön überreichte Detert Brummer-Bange allen Podiumsgästen einen Strauß fair gehandelter Blumen.

Fair gehandelte Blumen von Bürgermeister Detert Brummer-Bange nicht nur für die Frauen.

Unter Federführung der Kolpingsfamilie Ankum ist es den Veranstaltern der Podiumsdiskussion gelungen, erstklassige Gäste für eine Teilnahme zu gewinnen. Soviel geballte Kompetenz in einem kleinen Ort wie Ankum, das ist außergewöhnlich.Was sich auch in dem Satz einer Zuhörerin widerspiegelte, die zu ihrer Sitznachbarin sagte: „Eine tolle Veranstaltung – und das in Ankum“. Worum es thematisch ging bei dieser Veranstaltung am 5. Februar war auch auf Schautafeln nachzulesen.

 

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