Frauen-Power beim Europatag in Gehrde

Ein Nachmittag mit Infos, Musik, Kaffee und Kuchen – bei dem auf dem Podium Frauen den Ton angaben: Über die Bühne ging der diesjährige Europatag am Samstag, 24. August, im schönen Ambiente des Hofs Groneick in Gehrde.

Die Frauen auf dem Podium (von links): Angelika Baranowski, Anna Kebschull, Maren von der Heide und Gabriele Linster. Rechts Moderator Željko Dragić.

Der 3. Europatag in der Samtgemeinde Bersenbrück wurde, was er werden sollte: Ein so informativer wie beschwingter Nachmittag. Fürs Gute-Laune-Rahmenprogramm sorgten die Getränke- und Kuchen-Bar und musikalisch das Trio „Los Elegantos“ – das ohne Gage auftrat! –mit Swing und Jazz made in Europe. Auf dem Podium vier Frauen.

Plätze im Schatten, wie hier an der Wand entlang, waren an dem so sonnigen Samstagnachmittag besonders begehrt.

Nach Alfhausen und Kettenkamp richtete in diesem Jahr die Gemeinde Gehrde gemeinsam mit dem Verein „Brücken bauen Niedersachsen“ den Europatag aus. Sein Thema war die Frage „Was bedeutet Europa für mich?“. Beantwortet wurde sie von der Grünen-Politikerin und zukünftigen Landrätin Anna Kebschull, von Gabriele Linster, der Seniorenbeauftragten der Samtgemeinde, von Angelika Baranowski, seit 13 Jahren Tagesmutter in Bersenbrück, und von Maren von der Heide aus Ankum, die nach ihrer Zeit als CDU-Ratsmitglied in Ankum in den Kreistag eingezogen ist. Für die Ausrichter sprachen Günther Voskamp, der Bürgermeister von Gehrde, und Željko Dragić.

Europafreunde „Los Elegantos“: Bei der Musik dieses Trios wippten viele im Publikum mit.

 

Europa in der Familie.

Sichtbar wurde bei den Redebeiträgen z. B., wie sehr Europa auch hier in Familien präsent ist. So kommt der Ehemann von Gabriele Linster aus Luxemburg, der älteste Sohn hat in Holland studiert; der Sohn von Günther Voskamp studierte zunächst in Holland und jetzt in Lettland: Nur zwei von vielen Beispielen dafür, wie nah Europa vielen ganz persönlich ist und wie groß der europäische Raum geworden ist, in dem wir unser Leben grenzenlos gestalten können.

Eine begehrte Anlaufstelle: Die Getränke- und Kuchen-Bar.

 

Wer Wasser trinkt und Luft atmet….

Europa ist hier, erlebt die Tagesmutter Angelika Baranowski, wie sie sagte, durch die Kinder, die ihr von Eltern anvertraut werden, die kamen, um hier zu arbeiten. Da sei dann Sprache ein wichtiges Thema. Fern ist Europa niemandem.

Ihr begegne Europa z. B. beim Einkaufen für ihre Familie, sagte Maren von der Heide. Viele Produkte aus vielen Ländern stünden hier in den Regalen, und es seien die EU-Gütesiegel, die einen mit dem guten Gefühl zugreifen lassen, dass die Produkte, die wir kaufen, hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards erfüllen.

Nach der Veranstaltung: Austausch in locker-familiärer Atmosphäre.

Mehr noch: „Wer Wasser trinkt und Luft atmet“, so Maren von der Heide, erlebt Europa, denn es ist die EU, die europaweit für Regelungen zur Feinstaubbelastung und zur Wasserqualität sorgt. Grenzenlos reisen – auch für sie ein Gewinn, und für die jugendliche Tochter seien da natürlich günstige Nutzungsbedingungen fürs Handy besonders wichtig.

 

Freizügigkeit, Standards, Frieden.

Als „beängstigend“ beschrieb Anna Kebschull Erfahrungen, die sie als Kind machte, als der Weg zum Verwandtenbesuch in Westberlin noch durch die DDR und deren Grenzkontrollen führte. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen wisse sie die Freizügigkeit in Europa besonders zu schätzen. Auch für sie von besonderem Wert: die einheitlichen Standards, die EU-Siegel – und der Frieden.

Für die Jugendlichen aus Serbien übersetzte zwischendurch Željko Dragić, damit sie zumindest in groben Zügen mitbekamen, worüber geredet wurde.

Dass über 70 Jahre Frieden in Europa keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt z. B. der schwelende Konflikt zwischen Serbien und Kosovo, in dem Deutschland und Frankreich zu vermitteln versuchen – eine der Folgen der Jugoslawienkriege der späten 1990er Jahre. Am Europatag in Gehrde nahm auch eine Gruppe Jugendlicher aus Serbien teil, begleitet von Mitgliedern ihrer Gastfamilien.

Organisiert wird der Jugendaustausch zwischen der Samtgemeinde und der serbischen Partnergemeinde Ruma vom Verein „Brücken bauen Niedersachsen“. Serbien ist ein Beitrittskandidat der EU. „Ich bin einfach Europäer…“, signalisierten die T-Shirts der Jugendlichen mit einem Satz des Spaniers José Borrell, der von 2004 – 2007 Präsident des Europäischen Parlaments war.

Die Shirt-Message: „Ich bin weder Teil des alten noch des neuen Europa. Ich bin einfach Europäer…“.

 

„Alt werden geht gar nicht mehr ohne die Nachbarn“.

Tagesmutter Angelika Baranowski erlebt Europa durch die Jüngsten und deren Eltern und nannte als schöne Erfahrung, miteinander und voneinander zu lernen. Das Aufgabengebiet von Gabriele Linster ist die zunehmend älter werdende Gesellschaft, die steigende Zahl der Pflegebedürftigen, darunter mehr und mehr Menschen, die an Demenz erkrankt sind.

Talk unter Samtgemeinde-Kolleginnen: Links Gabriele Linster, rechts Dagmar Röben-Guhr, Leiterin des Fachdienstes Bildung und Familie.

Die häusliche Pflege ist ein Eckpfeiler der gesamten Pflege. Wie sie weiterhin möglich machen? Im Alter möglichst lange selbständig sein können, Hilfen organisieren – für Projekte mit diesem Ziel gibt es Fördermittel der EU, aber wo wären wir ohne die pflegenden Frauen aus Polen und Rumänien? „Alt werden geht gar nicht mehr ohne die Nachbarn“, sagte dazu Gabriele Linster.

 

Links: Bürgermeister Günther Voskamp.

Von privat bis zu Landwirtschaft und Gemeinde.

Was bedeutet Europa für einen Bürgermeister? Hunderttausende Euro für den Straßenausbau, EU-Mittel für den Breitbandausbau, für die Dorfentwicklung und manches mehr: „Europa tut viel für Gehrde“, sagte Bürgermeister Voskamp, und rief da auch die Agrarsubventionen ins Gedächtnis, die für die hiesigen Landwirte und damit für ländliche Gemeinden insgesamt von enormer Bedeutung seien.

Die Landwirtschaft befinde sich in einem „dramatischen Strukturwandel“, und er hoffe darauf, dass der durch die EU abgemildert werden könne. So sehr man über manches wie auch die Agrarsubventionen streiten könne, so sehr zeigen große Herausforderungen wie der Klimawandel, dass Europa gebraucht wird, weil nur gemeinsames Handeln erfolgreich sein kann.

Wer sich trotz der Hitze aufgemachte hatte, erlebte ein bestens arrangiertes Fest im attraktiven Rahmen der Hofanlage Groneick.

 

Bürger sind mündiger geworden, sensibler werden für Transparenz.

Dass Europa bei allem Positiven „nicht perfekt ist“, wie Anna Kebschull sagte, zeigte der Austausch mit Fragern aus dem Publikum. Eines der Themen: Bei der jüngsten Europawahl gab es sechs Spitzenkandidaten, und eigentlich hatten sich die europäischen Parteienfamilien darauf festgelegt, dass einer dieser Kandidaten die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker antreten soll. Es kam anders: Die neue Kommissionspräsidentin wird Ursula von der Leyen – was für viel mediales Trommelfeuer in Richtung Hinterzimmerpolitik und Zweifel an der Eignung sorgte. Ein wichtiger Faktor dabei die sozialen Medien.

Auch wenn Großbritannien austritt: Der Blick auf die Karte macht bewusst, was an europäischem Zusammenschluss bislang im Rahmen der EU erreicht wurde. Quelle, © https://europa.eu/european-union/about-eu/countries_de#karte

Die Bürger seien „mündiger geworden“, man müsse „sensibler werden für Transparenz“, so Anna Kebschull, wenn es gelingen soll, die gute Idee Europa weiter zu entwickeln. Daran arbeiten, „offener und transparenter zu werden“, dafür sprach sich auch Maren von der Heide aus. Sie wies aber auch darauf hin, dass Offenheit, so eine „offene Fehlerkultur“ einen angemessen, sorgfältigen und fundierten Umgang miteinander erfordere. Wie Menschen dafür gewinnen, sich zu engagieren – als Ehrenamtliche in Gemeinderäten wie auf allen anderen politischen Ebenen – in Zeiten von Shit-Storms, persönlichen Verunglimpfungen, Fake News, Stimmungsmache statt Fakten und Argumente, gar Bedrohungen?

Hier Frauen-Power, aber in der Politik sieht’s insgesamt schlecht aus. So sitzen im Samtgemeinderat z. B. nur 3 Frauen bei 34 Männern (inklusive Samtgemeindebürgermeister).

 

Woanders besser: Frauen-Power in Europe.

In Lettland seien 40 % aller Führungspositionen mit Frauen besetzt, merkte Günther Voskamp an, und machte damit deutlich, dass da in Deutschland noch viel Luft nach oben ist. Das führte zu einem Austausch über Lebensmodelle von Frauen. Was Frauen in Führungspositionen angeht, gab Maren von der Heide ihre Freude darüber zum Ausdruck, dass mit Anna Kebschull eine Frau an die Spitze des Landkreises rückt und mit Ursula von der Leyen eine Frau an die Spitze der EU-Kommission. Sie traue von der Leyen zu, „einen guten Job zu machen“.

Tim Kutschki am Stand von Europe Direct, dem Informationszentrum des Landkreises Osnabrück. Er hatte so einiges an Infomaterial mitgebracht.

Anna Kebschull appellierte zum Schluss an Bürger wie Politiker, nicht bei jeder Gelegenheit nur auf Europa zu schimpfen und wünschte sich vor allem, dass Politiker damit aufhören, für alles mögliche Europa als Ausrede zu benutzen. Wer sich über Europa informieren möchte: An Material fehlt es da nicht, nicht für Kinder, nicht für Erwachsene, zeigte der Stand von Europe Direct, des Informationszentrums des Landkreises Osnabrück.

„Eroberten“ das Podium und versuchten sich zum Spaß an der „Merkel-Raute“: zwei serbische und zwei hiesige Jugendliche.

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