Minimum 1,5 m Abstand: Vorschrift & Realität

Nicht eingehaltene Abstandsregel bei Samtgemeinde-Sitzungen: Die ersten Anläufe, um wieder eine klartext-Berichterstattung zu starten, waren mit durchwachsenen und auch besorgniserregenden Erfahrungen verbunden.

Links sehr dicht beieinander. In der rechten und der gegenüberliegenden Reihe größere Abstände, aber, soweit erkennbar, lagen keine 1,5 m zwischen der Räten.

Ein kommentierend-persönlicher Beitrag von Rita Stiens.

Um neue Infektionen zu vermeiden, sagte Bundeskanzlerin Merkel gerade erst wieder (20. Juni), komme es vor allem auf das Verhalten an. Abstand halten, Händewaschen und das Tragen von Alltagsmasken blieben unerlässlich.

Abstand halten, mindestens 1,5 Meter, das ist z. B. für Rats- und Ausschusssitzungen vorgeschrieben. Wird die Abstandsvorschrift eingehalten? Hier der Realitäts-Check.

 

Gut nur der Bildungsausschuss.

Strikte Kontakt- und andere Beschränkungen bestimmten die Lage, als klartext am 11. April eine längere Corona-Pause ankündigte. 4 Wochen nach Beginn dieser Pause dachte ich mir, Sitzungen der Samtgemeinde kann ich wegen der Abstandsvorschrift risikolos besuchen, um informiert zu bleiben.

So steht es in der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus.

Die Ratssitzung am 19. März war die letzte mit Dr. Horst Baier und die erste unter Corona-Bedingungen. Bei dieser Sitzung wurden die gebotenen Abstände konsequent eingehalten (hier Fotos dazu). Auch die Stühle für die Zuschauer standen weit voneinander entfernt. Im Mai und im Juni nun deutlich andere Erfahrungen. Bei 3 Sitzungen tagte nur der Bildungsausschuss am 16. Juni mit vorschriftsmäßigem Abstand.

Bildungsausschuss der Samtgemeinde am 16. Juni: So soll es abstandsmäßig sein. Der Ausschuss tagte in der Aula der Grundschule Gehrde. Viel Abstand auch für Zuschauer (hinten auf der Bühne).

Detert Brummer-Bange (UWG Ankum) ist der neue Ausschuss-Vorsitzende. In dieser Funktion war es seine erste Sitzung. Wie er klartext gegenüber erklärte, hatte er mit der Beantragung der Sitzung zugleich beantragt, dass sie in einer Aula stattfindet, damit die Abstandsregel eingehalten werden kann.

Das Maßband zeigt 1,5 m. Soviel Platz muss zwischen jedem Ratsmitglied und seinem Nachbarn liegen.

 

In einer der Sitzreihen dicht an dicht.

Die erste Ratssitzung mit dem neuen Samtgemeindebürgermeister Michael Wernke fand am 12. Mai statt. Sie unterschied sich abstandsmäßig deutlich von der Sitzung im März. So saßen – als hätte sich das Virus schon erledigt – einige Ratsmitglieder dicht an dicht und trugen bei dem dichten Nebeneinander auch keine Masken.

Viel zu dicht beieinander und trotz der Enge auch keine Masken. Eine Bildperspektive kann täuschen, aber dem ist hier nicht so, wie das nächste Foto mit den noch leeren Stühlen zeigt.

In den beiden anderen Reihen waren die Abstände zwischen den Räten größer, aber es sah nicht, soweit das von meinem Besucherplatz einsehbar war, nach dem vorgeschriebenen Mindestabstand von 1,5 m zur Nachbarperson aus. In dem Sitzbereich, den ich überschauen konnte, standen die Stühle für die Besucher auch keine 1,5 m voneinander entfernt. Eingehalten wurden die Abstände bei den Sitzplätzen auf dem Podium. Die Fotos entstanden von meinem Besucher-Sitzplatz aus kurz vor Beginn der Ratssitzung.

Dieselbe Reihe wie auf dem Foto zuvor mit noch unbesetzten Stühlen. Dass der Abstand zu gering ist, zeigen auch die Bodenfliesen. Sie sind schmal und es liegen nur wenige Fliesen zwischen den Plätzen. Angemessen ist der Abstand nur oben auf dem Podium, wo die größeren Tische stehen.

In seinem Bürgermeisterbericht sagte Samtgemeindebürgermeister Michael Wernke, dass täglich eine Corona-Krisensitzung stattfindet und dass die Verwaltung sehr darauf bedacht sei, dass sich das Virus nicht weiter ausbreitet. Abstand halten ist da ein zentraler Baustein, doch daran, dass die Sitzanordnung teils gar nicht, teils mehr schlecht als recht dem Mindestabstand von 1,5 Meter entsprach, nahm niemand Ausstoß.

Es wäre genug Platz für Abstand gewesen…

Würde der Inhaber eines Geschäfts zulassen, dass der Abstand nicht eingehalten wird, droht eine empfindliche Bußgeldzahlung – laut niedersächsischem Bußgeldkatalog von 1.000 bis 3.000 €. Grundsätzlich kann jeder mit einem Bußgeld belegt werden, der Abstandsregeln missachtet.

 

Wie konnte eine Ausschusssitzung im Rothert-Saal angesetzt werden?

Bei der Samtgemeinderatssitzung am 12. Mai gab es viel Raum und die vorgeschriebenen Abstände hätten, bei einer entsprechenden Anordnung der Sitzplätze, eingehalten werden können. Was die Sitzung des Finanzausschusses angeht, dessen Vorsitzender Johannes Koop (CDU) ist, war vorhersehbar, dass die Abstandsregeln nicht eingehalten werden können.

Anders als der Bildungsausschuss tagte der Finanzausschuss am 10. Juni am für Ausschüsse üblichen Sitzungsort – im Hermann-Rothert-Saal. Er wurde nicht in einen größeren Raum verlegt. Insgesamt kommen in der Regel 16, 17 und mehr Personen zusammen. Unmöglich, bei dieser Personenzahl im Rothert-Saal die vorgeschriebenen Abstände einzuhalten, wie das Archivfoto von 2019 zeigt. Auf dem sind etwa 15 Personen zu sehen. Wie könnten in diesem Saal 16, 17 und mehr Personen 1,5 m Abstand zueinander halten?

Archivfoto Rothert-Saal von 2019: Hier mit etwa 15 Personen. Für eine Ausschusssitzung mit in der Regel 17 und mehr Personen ist der Rothert-Saal in diesen Corona-Zeiten (1,5 m Abstand!) nicht geeignet.

Abstand ist Sicherheit, und weil diese Sicherheit fehlen würde, bin ich der Sitzung fern geblieben – und bekam hinterher bestätigt, dass es viel zu eng zuging und von einem 1,5-Meter-Abstand keine Rede sein konnte. Vom Samtgemeindebügermeister, der an Sitzung teilnahm, bis zu allen anderen Anwesenden nahm niemand Anstoß daran, dass der Ausschuss unter Bedingungen tagte, die gegen die Abstandvorschrift verstießen, wie klartext ebenfalls nach der Sitzung erfuhr.

 

Das Virus: Auch hier von einem Tag auf den anderen wieder da.

Nach Null seit heute (22. Juni) wieder eine Infektion in Merzen. © Landkreis OS

Abstand halten ist seit Monaten Tag für Tag das große Thema. Was ist vor diesem Hintergrund davon zu halten, dass bei 3 Gremien-Sitzungen der Samtgemeinde nur bei einer Sitzung konsequent dafür Sorge getragen wurde, dass mit dem vorgeschriebenen Abstand getagt wird?

Bis gestern war die gute Nachricht, dass es aktuell keine Covid-19-Infizierten in der Samtgemeinde Bersenbrück gibt und auch keine in den Nachbar-Samtgemeinden. Ein Tag später, am heutigen Montag, 22. Juni, ist dem schon nicht mehr so. Da weist das Corona-Dashboard einen bestätigt Infizierten für Merzen aus. Das ist noch nicht besorgniserregend, zeigt aber, dass falsch lag, wer glaubte, die Virus-Gefahr sei hier gebannt.

 

Besorgniserregend, wie Sorglosigkeit um sich greift. Besser in der kommenden Ratssitzung?

Nicht nur der Fleischkonzern Tönnies, die Städte Göttingen, Kassel, Magdeburg usw. belegen, dass das Virus weiterhin unter uns ist. Viele Lockerungen, aktuell bis auf Merzen keine bestätigten Covid-19-Infektionen in der Samtgemeinde und drumherum: Wenn das zu noch mehr Sorglosigkeit verleitet, als ohnehin schon zu beobachten ist, so wäre das höchst besorgniserregend.

Quelle: https://www.facebook.com/Bundesregierung/

 

Gerade weil wieder viel mehr unternommen und auch mehr gereist wird, brauchen wir weiterhin ein ausgeprägtes Bewusstsein für Vorsicht und Abstand. AHA – A wie Abstand, H wie Hygiene, A wie Alltagsmaske – ist und bleibt ein MUSS! Und so wird hoffentlich in der kommenden Sitzung des Samtgemeinderats konsequent auf die Einhaltung der Abstandsvorschrift geachtet werden.

Samtgemeinderat am Dienstag, 23. Juni, um 19 Uhr in der Aula der August-Benninghaus-Schule (Seiteneingang zur Turnhalle der Oberschule Ankum), Am Kattenboll 10, 49577 Ankum. Auf der Tagesordnung stehen u.a. die Vorstellung der Entwurfsplanung und der Kostenberechnung für den Neubau des Hallenbads in Ankum sowie die Umorganisation des Bauhofs.

 

Medien haben eine Wächterfunktion.

In Bayern berichtete die Lokalzeitung „Das gelbe Blatt“ vor wenigen Tagen, am 20. Juni, groß über Verstöße von Stadträten im oberbayerischen Penzberg. Dort hatte der Wirt der Stadthalle zum Kindsbier eingeladen hatte, um auf die Geburt seines Sohnes anzustoßen. Mit dabei: Viele Mitglieder des Stadtrates, die im Raum nebenan nicht-öffentlich getagt hatten. (1)

Die Polizei erwischte Bürgermeister und Räte beim Feiern, saftige Bußgelder werden fällig. Mehr noch als das Fehlverhalten der Ertappten scheint aber nach dem Zeitungsbericht die Frage auf den Nägeln zu brennen, wer der anonyme Hinweisgeber war.

Wer etwas ans Licht bringt, ist der Buhmann – so ein Denken ist nicht selten und darauf fußt auch so manche Kritik an Medien. Deren eigentliche Aufgabe ist es jedoch, „gegenüber den Machthabern eine Kontrollfunktion auszuüben“. Sie sind gehalten, zu informieren, kritisch Stellung zu nehmen,  durch Kritik und Diskussion zur Meinungsbildung beizutragen. „Auf Grund dieser Kontrollfunktion werden die Medien auch als ,Wachhunde‘ der Demokratie (watchdogs) oder als ,vierte Gewalt‘ bezeichnet“, so z. B. nachzulesen bei der Bundeszentrale für politische Bildung (2).

 

Und klartext? Noch keine Normalität. Über einen Besuch bei putzmunteren Fohlen…

Dass z. B. mehr und mehr Menschen bei Begegnungen wieder dicht vor einem stehen, ohne Mundschutz zu tragen, das ist nur eine Facette zunehmender Sorglosigkeit, die es besonders für Menschen, die zur Risikogruppe gehören, riskant macht, viel zu unternehmen. Dennoch soll es wieder den einen und anderen Bericht auf klartext geben. Unter freiem Himmel war ich da z. B. unterwegs und hatte meine helle Freude an putzmunteren Fohlen.

Als keiner Draufgänger entpuppte sich auf der Weide das jüngste Fohlen (hier im Vordergrund). Vorne rechts das einige Wochen ältere Fohlen.

Zum Knuddeln die Kleinen, Hingucker aber auch die Großen. Alle Tiere in dieser Ankumer Pferde- und Naturidylle gehören zu einer Rasse, die auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Nutztierarten steht. Erste Fotos sind im Kasten, aber es muss noch einiges recherchiert werden, bis die Geschichte steht.

klartext meldet sich also wieder zu Wort. Bald folgt jedoch eine längere Sommerpause. Normalität soll ab dem Herbst wieder einkehren – sofern die Corona-Lage das zulässt.

 

Quellen:
(1) https://www.dasgelbeblatt.de/lokales/penzberg/teures-kindsbier-stadthalle-polizei-ertappt-penzberger-stadtraete-corona-party-13802613.html
(2) https://www.bpb.de/izpb/7492/warum-medien-wichtig-sind-funktionen-in-der-demokratie

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